Musikalisch super, konsequent bis zum Verzicht auf die Show und somit gut getroffen: „The Black Rider“ am Vorarlberger Landestheater

Musikalisch super, konsequent bis zum Verzicht auf die Show und somit gut getroffen: „The Black Rider“ am Vorarlberger Landestheater

Die Bilder haben sich eingeprägt. Wer in den 1990er-Jahren schon theatertauglich war, bringt „The Black Rider. The Casting of the Magic Bullets“ stets mit der Urfassung der Produktion von Robert Wilson, William S. Burroughs und Tom Waits in Verbindung, die von Hamburg aus über Wien bis nach New York und Hongkong verschickt wurde. Wilson hat selbst inszeniert. Auch Operngeher kennen die Gestikulation seiner Figuren, die quasi mit der Ausstattung verschmilzt. Styling pur, weiße Schminke, diabolisches Lachen – Dominique Horwitz wurde damit zum Star.

Um dem „Freischütz“-Thema wieder Brisanz zu entlocken, wurde die Revue in jüngeren Inszenierungen auf deutschen Bühnen oft gegen den Strich gekämmt – also bunter, greller und gelegentlich auch blutiger. Am Vorarlberger Landestheater geht Johannes Lepper als Regisseur und Ausstatter einen anderen Weg. Seine Figuren – entsprechend kostümiert von Sabine Wegmann – scheinen romantischen Gemälden entstiegen zu sein. Caspar David Friedrich wird in den raumhohen Videoprojektionen sogar einmal zitiert. „Teufelspakt ist stets ein Narrenpakt“, heißt es so richtig im zentralen Lied. 

Doch nicht Tölpel sind es hier, die da vom Schreiber Wilhelm Treffsicherheit verlangen, um Käthchen heiraten zu dürfen, sondern reflexionsfaule Zeitgenossen mit fundamentalistischen Neigungen. Gut getroffen!

Man muss es nicht mögen, dass Lepper beim Intro auf die Gefahren solcher Mixtur verweist, in einigen Bildern von Grausamkeiten den Sturm auf das Kapitol in Washington im Jänner 2021 erwähnt, aber das ist absolut schlüssig. Und nachdem er hier Neil Young spielen lässt, hat er Tom Waits nichts untergeschoben. 

Die nächsten zweieinhalb Stunden verlaufen ebenso konsequent. Das frühe 19. Jahrhundert in dem August Apel sein Gespensterbuch veröffentlichte, dem Carl Maria von Weber schließlich die Idee zu seine Oper „Der Freischütz“ entnahm (die die Bregenzer Festspiele bekanntlich im kommenden Jahr auf den See bringen), war geprägt von einer gefährlichen Aufklärungsskepsis und einer Politik, die den Nationalismus schürte. Wilhelm ist Narr genug, um den Pakt mit dem Teufel einzugehen anstatt zu rebellieren. Dass eine der Zauberkugeln seine Braut trifft, scheint ihn am Ende dieser Inszenierung kaum noch zu kümmern. Gut erdacht. Wir erleben ein Ensemble mit Martin Müller, Nanette Waidmann, Maria Lisa Huber, Luzian Hirzel, Nico Raschner und David Kopp, das zwischen dem Spiel, das die Handlung vorantreibt und dem Liedvortrag mäandert, heutig (mit entlarvender Gier) und dann wieder in stereotyp märchenhaft Überhöhung agiert und dabei auch pointiert witzig und bestens bei Stimme ist. 

Wer sich auf diese, um nicht zu sagen, neue Lesart einlassen kann, vermisst keinen Drive, sondern taucht ein in die verschiedenen Perspektiven, die zu keinem Fokus zwingen und die Vivienne Causemann gut verinnerlicht hat, wenn sie als Stelzfuß so souverän unfassbar bleibt. 

Kitschfallen gibt es in diesem Stück einige. Doch hineintreten? Niemals!

Dass die Vorarlberger Landesbühne Musiktheater im Programm hat, auch wenn einmal – wie in der nächsten Saison – auf die große Oper verzichtet wird, steht zudem fest. The Palace Hotel and Grillroom Orchestra nennen sich mit Johannes Bär, Andreas Borger, Martin Grabher und Marcel Girardelli einige der Top-Protagonisten der Vorarlberger Musikszene, die Oliver Rath zusammenhält. Vom Klarinettensolo bis zum Blech-, Schlagwerk- und Tasteneinsatz sowie bis zu Improvisationen wurde rasch klar, warum man die Produktion „The Black Rider“ nach einer „Woyzeck“-Fassung von Robert Wilson, Tom Waits und Kathleen Brennan, die man vor knapp drei Jahren bot, forciert hat. 

Gut intendiert. Bis hin zu weiteren kleinen Details übrigens, diesen tableaux vivants am Stiegenaufgang und im Foyer, mit den Schauspielern, die aus dem erwähnten Gespensterbuch lesen.

Christa Dietrich

Kommentare sind geschlossen.