Barock im Detail: Im Kloster Mehrerau wird nun der Blick geschärft

Barock im Detail: Im Kloster Mehrerau wird nun der Blick geschärft

Noch heute erreichen mich Anfragen zur Fundstück-Serie, die ich mit dem Kunsthistoriker Tobias G. Natter für Beiträge in den  Vorarlberger Nachrichten realisieren konnte. Den Zugängen des international tätigen Experten zu privaten Sammlungen in der Region sowie seiner Kommunikationsbereitschaft war es zu verdanken, dass die Reihe umfangreicher werden konnte als ursprünglich konzipiert. Woche für Woche wurde ein Objekt, ein Kunstwerk, ein Plakat, ein Bild oder eine Fotografie abgebildet und erläutert. 

Der Herausgeber maßgeblicher Werke über Gustav Klimt und Egon Schiele sowie Kurator von Ausstellungen in Wien, Frankfurt, New York etc. hat nun ein Projekt initiiert, das die Zisterzienserabtei Wettingen-Mehrerau den Besuchern vom 20. Juni bis 13. August die Tore öffnet. Vom „Sehen, was uns an barocker Pracht überlassen worden ist“, sprach Abt Vinzenz Wohlwend. Tobias G. Natter betonte den Dialog mit dem Ort, der sich durch das Thema ergibt. 

Es ist eine kleine, höchst informative Ausstellung: Rund 25 Entwurfszeichnungen aus dem 18. Jahrhundert sowie einige Kleinplastiken werden in der Barockbibliothek des Gebäudes präsentiert, in jenem Raum, der im besonderen Maß auf die Geschichte des Ortes verweist. Das vor fast tausend Jahren in Andelsbuch gegründete und bald darauf nach Bregenz verlegte Benediktinerkloster erhielt im 18. Jahrhundert ein neues Gebäude, an dessen Planung der Vorarlberger Johann Ferdinand Beer, maßgeblich beteiligt war. Die Kirche, die Mitte des 18. Jahrhunderts nach Plänen von Franz Anton Beer in Bregenz errichtet wurde, existierte allerdings nur knapp 70 Jahre. Das Ende kam mit den Bayern, an die Österreich nach der verlorenen Schlacht in Austerlitz Gebiete abzutreten hatte. Vorarlberg gehörte von 1805 bis 1814 zum Königreich Bayern. Das hatte auch verwaltungstechnische Reformen zur Folge, doch die bayerische Regierung hob das Kloster im Jahr 1806 auf. Das Klostergebäude blieb erhalten, das Abbruchmaterial der Kirche wurde für den Bau der dortigen Hafenanlage nach Lindau verschifft. Jegliche Dokumente über die Innenausstattung des Sakralbaues sind verschollen.

Nachdem sich der Konvent der in der Schweiz aufgelassenen Zisterzienserabtei Wettingen ein paar Jahrzehnte später in der Mehrerau niederließ, erfuhr nicht nur die Klostergeschichte eine Fortsetzung, die erhaltene Barockbibliothek mit Stuckarbeiten von Peter Anton Moosbrugger wurde wieder ihrer Bestimmung entsprechend genutzt.

Sie liefert nun das entsprechende Ambiente für die Auswahl von Zeichnungen, die die Schöpferkraft und  die Fantasie von Künstlern und Handwerkern verdeutlichen. Und nicht nur das. Die Musterzeichnungen, die man den Auftraggebern vorlegte, enthalten jeweils mindestens zwei Ausführungs- oder Gestaltungsmöglichkeiten. Diese Spezialisten waren somit auch exzellente Vermarkter ihres Könnens. So beinhaltet beispielsweise eine einzige Zeichnung von einem Deckenentwurf oder der Wandgestaltung für einen Festsaal gleich mehrere Verzierungs- und Gestaltungsvarianten, die die Bauherren wählen konnten. Dasselbe gilt für die Entwürfe von Altären, für deren symmetrische Ausführung jeweils zwei Varianten vorgeschlagen wurde, die oftmals in fast jedem Detail voneinander abweichen.

Neben Entwürfen für Wandgestaltungen, Gebäudefassaden, Decken und Altären aus Deutschland, Frankreich, Österreich und Italien präsentiert Natter auch Musterzeichnungen der Vorarlberger Barockbaumeister aus den sogenannten „Auer Lehrgängen“, einem Werk zur Aus- und Weiterbildung der Auer Zunft. Die detailgenaue Ausführung vieler dieser Zeichnungen inklusive Behandlung von Perspektiven ist frappierend. Der Auseinandersetzung mit dem einstigen Blick auf die Welt und vor allem der Vorstellung von Schönheit wird jenem „Himmel auf Erden“ gerecht, der diesem einmaligen Ausstellungsprojekt den Titel gibt. Dass die kontemplative Atmosphäre die eingehende Auseinandersetzung mit jedem Entwurf fördert liegt auf der Hand, somit dürfte es den Besucherinnen und Besuchern nicht entgehen, wie detailreich die Entwurfzeichner die für das Barock bedeutende Raumillusion oder die Perspektiven behandelten. 

Christa Dietrich

Ein informativ gestaltetes Katalogbuch wurde aufgelegt.

Geöffnet bis 13. August, Dienstag bis Donnerstag, 14 bis 16 Uhr (mit Voranmeldung), Freitag und Samstag (Führungen ohne Voranmeldung 14 bis 15 Uhr): kloster@mehrerau.at, +43 5574 71461-59

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