Von wiederentdeckten Komponistinnen und lästiger Männerehre
Erster Lichtblick bei den Orchesterkonzerten der Bregenzer Festspiele nachdem beim ersten Auftritt der Wiener Symphoniker mit der Neubesetzung des Dirigats gleich auch die Uraufführung von Ayal Adler gestrichen wurde: Symphonie Nr. 1 von Florence Price neben „Central Park in the Dark“ von Charles Ives und den „Vier letzten Liedern“ von Richard Strauss.
Maestro Dirk Kaftan bricht mit einem klassischen Konzertritual, wendet sich ans Publikum und erklärt, dass das Schicksal, das die Komponistin Florence Price (1887-1953) erlitt, jenes der Vertriebenen aus Europa gleicht. Die Afroamerikanerin bemerkte einmal selbst, dass ihr Geschlecht und ihre Hautfarbe massive Handicaps waren, um sich in der Klassikszene überhaupt Gehör zu verschaffen. 1933, bei der Weltausstellung in Chicago, wurde ihre 1. Symphonie zwar aufgeführt, danach verschwand sie aber in den Archiven. Mit äußerst spannend und fein eingearbeiteten Motiven von Dvorák, Wagner und der Musik der Unterdrückten in den USA enthält das Werk deutliche Botschaften.
Den satten Orchesterklang und im Übrigen das ideale dunkle Timbre in der Stimme von Rachel Willis-Sorensen („Vier letzte Lieder“) noch im Ohr, folgte wenige Stunden später der erste Musik & Poesie-Abend dieses Festivals. Und siehe da, wieder wurde Besonderes offeriert: Pianist Sergey Tanin erinnerte mit der Programmwahl an Marie Jaëll (1846-1925). Die französische Komponistin, Pianistin und Klavierpädagogin war Mitarbeiterin von Franz Liszt in Weimar, der ihre Fähigkeiten und auch ihre Innovationen sehr schätzte.
Liszts Konzertparaphrase aus Verdis „Ernani“ durfte nicht fehlen, war das Motto des Abends doch von der zentralen Thematik in dieser Oper abgeleitet, die die Festspiele heuer angeboten haben: Dem Schriftsteller Michael Köhlmeier oblag es, fragwürdige Ehrbegriffe in der Literatur auszumachen. In der „Ilias“ gibt es, wie der Kenner der griechischen Mythologie mit geschätzter und unvergleichlicher Erzähllust ausführte, reichlich gekränkte Männerehre, die zu Tod und Verderben führte.
Im Nibelungenlied ist es der Feigling Gunther, der nur mit Hilfe von Siegfried seine Brünhild ehelichen konnte und der schließlich die Rachegelüste zweier Frauen verursachte.
Wer Köhlmeiers Gedanken folgen möchte, dass das Duell zum Sinnlosesten überhaupt zählt, das sich Männer ausgedacht haben, der lese „Casanovas Heimfahrt“ von Arthur Schnitzler. Oder auch „Der Zauberberg“ von Thomas Mann mit der Auseinandersetzung zwischen Settembrini und Naphtha.
Am 6. August findet die Reihe Musik & Poesie mit Texten von Brecht sowie Kompositionen von Dessau, Eisler und Weill, offeriert von Luzian Hirzel und Roxane Choux, eine Fortsetzung. Eine gute Möglichkeit, sich auf „Die Judith von Shimoda“ vorzubereiten, der Oper von Fabián Panisello, mit der die Bregenzer Festspiele ihre Uraufführungsserie beachtenswert kontinuierlich fortsetzen.
Christa Dietrich