Jassen und Kunst von Uwe Jäntsch: Eine besondere Geschichte

Jassen und Kunst von Uwe Jäntsch: Eine besondere Geschichte

Aufmerksame Beobachter bzw. Zeitgenossen wissen es: Bevor Uwe Jäntsch jene Performances, Interventionen und Installationen in Palermo realisierte, die internationale Aufmerksamkeit hervorriefen, entwarf und verwirklichte er gemeinsam mit Jugendlichen die Bemalung einer Fußgängerunterführung am Bregenzer Hafen. Das war vor gut zwei Jahrzehnten. Die Unterführung existiert in der Form nicht mehr, die Arbeit scheint mir aber deshalb besonders erwähnenswert, weil schon damals einige der wesentlichen Faktoren in seinem Schaffen sichtbar wurden. 

Der 1970 in Wasserburg geborene und in Vorarlberg aufgewachsene Künstler hat die ihm eigene Vorstellungsgabe derart intensiviert, dass er seiner Intuition als Maler trauen und folgen konnte. Mit enormer Konsequenz, einer Konsequenz im besten Sinne, hat er die Mechanismen des Kunstmarktes ignoriert, dafür aber Wege eingeschlagen, um den Menschen Teilhabe zu ermöglichen. Als Performer als der er sich beispielsweise einer politischen Wahl stellte, mag er irritiert haben, Jäntsch hat sich aber nie etwas von jener Unnahbarkeit angeeignet, die in diesem Genre oft feststellbar ist. 

Für Künstler, die Verwerfungen der Gesellschaft thematisieren, wird der Begriff Seismograph oft und gerne verwendet. Jäntsch dürfte er nicht behagen, er sucht nach einer Begegnung auf Augenhöhe. 

Wenn er im Bregenzer Künstlerhaus nun ein Jassturnier austragen lässt, so lockt er einerseits auch ein Publikum in seine Ausstellung, das das Haus bislang nur selten oder nie betreten hat. Andererseits konfrontiert die Reihung der Tische, die Beleuchtung, die eigens geschaffenen Karten (jede einzelne ein Kunstwerk) mit der Geschichte von künstlerischen Settings oder Tableaus. Es ist eine offene, nie herablassende Ironie, die zum Tragen kommt, wenn Jäntsch nicht nur ein Spiel wählte, das bei einer Aufzählung von Vorarlberg-Klischees wohl nie fehlen würde, sondern, wenn ein Auto (wie alle Preise u. a. vom Künstler mitfinanziert) als in Aussicht gestellter Gewinn einen besonderen Motivationsfaktor darstellt. Obwohl an sich der Weg – also der Spaß am Spiel – das eigentliche Ziel ist. Mit Bierkisten und einer Waschmaschine als weitere Preise liefert er eine augenzwinkernde Andeutung. Was auf den Altären des Konsums geopfert wird, sollen Besucherinnen und Besucher selbst festlegen. Sie sind leer.

Mit „Schöner wohnen“ ist die Ausstellung betitelt. Der Titel ist mehrdeutig. Er verweist auf den Alltagschauvinismus, der in Aussagen enthalten ist, dass in Vorarlberg das Wohnen grundsätzlich besonders schön sei. Er thematisiert freilich auch die Folgen des Umstandes, dass in der Region Vermögen gerne in Betongold angelegt wird und impliziert die Frage, was denn schön zu wohnen alles bedeuten kann. Geht es um das eigene Wohlbefinden oder werden viel Lebenszeit und Kraft investiert sowie Ressourcen vergeudet, um sich vor allem eine repräsentative Umgebung zu schaffen? Durchströmt uns beim Anblick eines alten Tisches, eines ausrangierten Telefons oder einer Kommode Behaglichkeit oder verbinden wir damit unangenehme Situationen – vielleicht Enge? 

Wenn Uwe Jäntsch malt, wählt er als Grund nicht selten Verpackungsmaterial, das im Müll gelandet wäre.  Die großformatigen Arbeiten wie „Starsworld“ faszinieren mit ihrer enormen Erzähldichte. Im Wissen um die Motive der Volkskunst, der sakralen Ikonographie (Kreuze, apokalyptischer Reiter etc.), um die Themen und Sujets der naiven und metaphysischen Malerei sowie des Surrealismus hat Jäntsch seine eigene Sprache entwickelt. Er erzählt von Prägungen durch die Geschichte, die Religion, die Literatur, das Umfeld. Nie – weder in der Malerei, noch in den Assemblagen oder Installationen – schleicht sich eine Behauptung ein. Diskursfähigkeit offenbart sich somit in einer besonders schönen Form. 

Die spezifische Funktion der Räume mögen die Betrachterinnen und Betrachter erkunden, ein Raum ist noch in Weiß gehalten, offen für aktuell zu schaffende Arbeiten des Künstlers, den Judith Reichart, Kuratorin und Leiterin des Bregenzer Kulturservice, treffend als Kosmopolit bezeichnet, dessen sozialpolitischer Ansatz die Kunstgeschichte noch beschäftigen wird.

Die Ausstellung im Bregenzer Künstlerhaus ist bis 3. September geöffnet. Wer ein weiteres großformatiges Werk von Uwe Jäntsch sehen möchte (oder noch nicht gesehen hat), dem sei der Weg nach Schwarzenberg empfohlen. Im dortigen Tanzhaus vereinte der Künstler Geschichte und Gegenwart zu einer detailreichen Erzählung. Judith Reichart war es, die um die Präsenz im Ort gerungen hatte und der Gemeinde damit – etwa neben Werken von Angelika Kauffmann – eine weitere Sehenswürdigkeit bescherte.

Zusatzbemerkung zur Politik

Als beschämend erwies sich der Auftritt der Bregenzer Kulturpolitik bei der offiziellen Eröffnung der Ausstellung im Bregenzer Künstlerhaus. Kulturstadtrat Michael Rauth (VP) sah sich berufen, die erbärmliche Aktion des Vorjahres in diesem Rahmen eigens zu verteidigen.

Den Machenschaften der politischen Opposition im Rathaus der Landeshauptstadt (mit SP-Bürgermeister Michael Ritsch) fiel damals auch die Ausstellungsplanung im Künstlerhaus zum Opfer. Um den Vorschlag der von der Justiz völlig rehabilitierten Kulturserviceleiterin auszubooten bzw. deren Reputation nach einer zu Unrecht erfolgten Suspendierung zu behindern, pochte die Mehrheit auf die Durchführung einer Schau zum 50-Jahr-Jubiläum der Bregenzer Randspiele. Dazu muss man wissen, dass nicht die damaligen Protagonisten der Randspiel-Initiative in den frühen 1970er-Jahren (die neben vielen anderen zur positiven Entwicklung der Kulturlandschaft beitrug) den Anstoß zum Jubiläum gaben oder dessen Beachtung als Erste wünschten, sondern die Künstlerin und Kunstvermittlerin Ines Agostinelli (geb. 1978), die, wie sie mir in einem Interview zugestand, zuvor noch nie etwas von den Randspielen gehört hatte bzw. mehr durch Zufall auf das Thema gestoßen ist. (Sie wohnte vor nun eineinhalb Jahren einer Diskussion bei, in deren Rahmen der Künstler Gottfried Bechtold die Randspiele erwähnte und begann zu recherchieren.) Ein Entwurf für eine Dokumentationsprojekt wurde dem Vorarlberg Museum vorgelegt. Dort lehnte man die Durchführung aus verschiedenen Gründen ab, weshalb sie die Unterlagen bei der Stadt Bregenz einreichte. In wenigen Wochen wurde eine Ausstellung zusammengeschustert, deren Erarbeitung bei seriöser Handhabe mindestens ein bis zwei Jahre in Anspruch nehmen müsste. Die Kosten haben das übliche Budget (die Stadt wendet für ihre Sommerausstellungen jeweils rund 70.000 Euro auf) laut Auskunft bei Weitem gesprengt, das Ergebnis enthielt einige Informationen, erwies sich bei genauerer Betrachtung aber als äußerst lückenhaft und stieß auf sehr bescheidene Publikumsresonanz.

Christa Dietrich

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