Bei Wagners „Siegfried“, inszeniert von Brigitte Fassbaender im Passionsspielhaus

Bei Wagners „Siegfried“, inszeniert von Brigitte Fassbaender im Passionsspielhaus

Brigitte Fassbaender und die Bregenzer Festspiele: Musikfreunde erinnern sich nicht nur an ihre mit viel Humor, Esprit und Tempo aufgeladenen Inszenierungen der Rossini-Opern „Der Barbier von Sevilla“ und „Die Italienerin in Algier“, sondern auch, dass sich die renommierte Mezzosopranistin, Regisseurin in Intendantin für die Weiterbildung junger Sängerinnen und Sänger engagiert. Auch heuer gab sie Meisterkurse für das Ensemble des Opernstudios. „Werther“ von Jules Massenet wird zwar von Jana Vetten inszeniert, eine wesentliche Unterstützung zur Bewältigung der Gesangspartien lieferte Brigitte Fassbaender, die dem Publikum Einblicke in die Arbeit bot. So wie beispielsweise bei der Schubertiade, wo sie erst vor wenigen Jahren Meisterkurse angeboten hatte und vor Beendigung ihrer Gesangskarriere zu den dort auftretenden Stars zählte.

Es sind viele inspirierende Momente, die das Vorarlberger Publikum mit Brigitte Fassbaender verbindet. Man fuhr zudem nach Innsbruck, wo sie als Intendantin des Tiroler Landestheaters auch als Regisseurin tätig war und konnte in Frankfurt erst jüngst ihre Inszenierung der Uraufführung der Oper „Blühen“ von Vito Žuraj erleben, für die der Österreicher Händl Klaus das Libretto sehr frei nach der Erzählung „Die Betrogene“ von Thomas Mann verfasste. 

Und schließlich Erl: Vor zwei Jahren startete sie im mitten im Grünen liegenden Tiroler Festspielort ihre Inszenierung von Richard Wagners „Ring des Nibelungen“ mit „Das Rheingold“. Im Vorjahr kam „Die Walküre“ hinzu, soeben hatte „Siegfried“ Premiere und auf die „Götterdämmerung“ braucht nur noch ein paar Tage gewartet zu werden. 

Aufführungsort ist nicht das neue dunkle Festspielhaus, sondern die historische Passionsspielbühne, die am Premierentag wie ein weißer Turm in der Sonne glitzert. Das Orchester ist hinter dem Podium aufgereiht und optisch durch die Pultbeleuchtung und einzelne durch den Gazevorhang schimmernde Instrumente gegenwärtig. Die akustische Präsenz zeugt von einem differenzierten Klang- und Raumgefühl des Dirigenten Erik Nielsen. Beste Voraussetzung nicht nur für die Sängerinnen und Sänger, sondern auch dafür, dass Brigitte Fassbaender großen Wert auf Wortverständlichkeit legt. 

Aufgrund der Leistung bin ich versucht bei einer kleineren Rolle in diesem Werk zu beginnen, denn wie Craig Colclough die Hinterhältigkeit des Alberich zum Ausdruck bringt, hat etwas Besonderes. Die Intention, den „Ring“ einfach nachzuerzählen, dabei aber absolut menschliche Charaktere zu zeigen, hat er derart verinnerlicht, dass er als gutes Beispiel für jene Spannung genannt werden kann, die auch mit einem unspektakulären Zugang erzeugt wird. 

Ein Vergleich mit Bayreuth ist selbstverständlich obsolet und wäre auch unsinnig, denn die “Ring”-Neuinszenierungen der letzten Jahrzehnte waren stets von neuen Interpretationen geprägt, während in Erl nun – wie erwähnt – nacherzählt wird. Doch obwohl ich zu den wenigen gehöre, die auch der ungemein komplexen, psychologisch enorm aufgeladenen Interpretation, die Valentin Schwarz im Vorjahr erstmals in Bayreuth zeigte, viel abgewinnen konnte, erschien mir die herkömmliche Schmiedeszene oder die kaum akzentuierte Erzählung von Siegfrieds Herkunft im ersten Aufzug nun in Erl zwar etwas, aber nicht zu altbacken. Denn Mimes Absicht, Siegfried von Kind auf für sich zu instrumentalisieren, um an den Ring und die Macht zu gelangen oder Wotans bzw. des Wanderers Erinnerung an frühere Zeiten, ließen mit kleinen Gesten dann doch noch ein differenziertes Bild entstehen. 

Für Drachenhöhle, Wald, und Walkürenfelsen auf Projektionen zu setzen, ist in der starren Bühnenkonstruktion des Passionshauses absolut plausibel. Erdas Auftritt im mondänen Bett hat Witz und steht somit auch im schönen Kontrast zum tiefen Ernst, den Fassbaender der Zusammenkunft von Siegfried und Brünnhilde angedeihen lässt. Dass es keine Umarmungen braucht, sondern, dass sich aufkeimende Gefühle auch über viele Bühnenmeter vermitteln lassen, ist eine alte Regieweisheit. 

Davon lässt sich durchaus profitieren, obwohl eine Steigerung drinnen wäre, wenn die großen Stimmen von Vincent Wolfsteiner (Siegfried) und Christiane Libor (Brünnhilde) noch etwas mehr Geschmeidigkeit hätten.

„Leuchtende Liebe, lachender Tod“, heißt es bekanntermaßen am Schluss. Das Böse wird sich wohl in der „Götterdämmerung“ zeigen, denn, dass sich der Riese Fafner nicht nur in einen Drachen, sondern in einen bis an die Zähne bewaffnenden Krieger verwandelt hat, ist Sci-Fi-Szenerie.

Das Publikum in Erl goutiert es mit viel Applaus. Draußen hat sich gerade die Sonne hinter den Bergen verabschiedet. Und die riesige Dornenkrone als Symbol der noch existierenden voraufklärerischen Tradition der Passionsspiele am Vorplatz ist kaum noch auszumachen. 

Christa Dietrich

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