Kein Film zu sehen, aber dennoch waren sie alle da – dank der Camerata Musica Reno, Tobias Grabher und Michael Köhlmeier

Kein Film zu sehen, aber dennoch waren sie alle da – dank der Camerata Musica Reno, Tobias Grabher und Michael Köhlmeier

Glück gehabt, wer zur Ausbildung oder zum Broterwerb einige Zeit in größeren Städten weilte, konnte Meisterwerke der Filmgeschichte nicht nur im Bildschirmformat genießen, sondern auf Kinoleinwand. Auch „Sein oder Nichtsein“, eine Komödie von Ernst Lubitsch mit unzähligen Gags, tiefschwarzem Humor und tragischem Hintergrund aus dem Jahr 1942, lief in jenen Kunstkinos, in denen ich nicht nur verregnete Nachmittage verbrachte. Nicht verwunderlich, dass dies ein Lieblingsfilm des Schriftstellers Michael Köhlmeier ist. Auch Tarantinos „Es war einmal in Hollywood“ steht auf seiner Liste, in die er im Rahmen eines „Abends für die Filmmusik“ blicken ließ. Der Sound war entsprechend hochkarätig, steuerte ihn doch die Camerata Musica Reno bei, jenes Kammerorchester, das der Vorarlberger Tobias Grabher (geb. 1997) vor drei Jahren gründete. 

Es vereint großartige junge Musikerinnen und Musiker aus der Region und hat sich bereits mit Strawinsky-, Strauss-, und Wagner-Programmen  nicht nur enormen Herausforderungen gestellt, sondern diese auch begeisternd bewältigt. Der Etablierung der Camerata Musica Reno ist es zudem zu verdanken, dass dem Vorarlberger Publikum am Osterwochenende ein anspruchsvolles Programm angeboten wird. Das Bregenzer Theater Kosmos war wiederum drei Mal ausverkauft – das mag etwas heißen. 

Musikgeschichte mit vielen Beispielen aus der Filmgeschichte.

Die profunde Arbeit, die Tobias Grabher leistet, zeigte sich bereits beim ersten Programmpunkt sowie beim Blick auf die Orchesterbesetzung. Mit der Filmmusik zu „The Adventures of Robin Hood“ ein Werk von Erich Wolfgang Korngold (1897-1957) gewählt zu haben, ist kulturhistorisch und musikalisch aufschlussreich. Korngold, dessen Oper „Die tote Stadt“ allgemein bekannt sein dürfte (Kirill Petrenko leitete im Übrigen die neueste Produktion dieses Werks an der Münchner Staatsoper), emigrierte aufgrund des Antisemitismus in Österreich bereits 1934 in die Vereinigten Staaten. Mit seiner mitreißenden Musik hatte er wesentlichen Anteil am Erfolg des „Robin Hood“-Streifens von Michael Curtiz und prägte das Filmmusikschaffen generell. Die Feinheiten der Tempovorgaben und der Orchestrierung auch in einer Fassung für kleines Ensemble erfahrbar gemacht zu haben, entschädigte für das wuchtige Klangerlebnis des Originals. Angesichts der – aufgrund der Karrieren der Mitglieder – von Jahr zu Jahr etwas veränderten Besetzung der Camerata Musica Reno ist es höchst bemerkenswert, welch satten Orchesterklang Tobias Grabher mit seinen Musikerinnen und Musikern erreicht. Die tänzerischen Effekte in den Werken von Toru Takemitsu („José Torres“ und „The Face of Another“) gipfelten schließlich in den öfter auf Konzertprogrammen stehenden Stücken, die Nino Rota für „Der Leopard“ von Lucchino Visconti schrieb. Purer Genuss auch ohne Klavier – die Streicherbesetzung und die formidablen Bläser ließen mit Konzentration und Esprit quasi eine eigene Fassung entstehen. Da schrieb man somit so etwas wie Musikgeschichte mit vielen Beispielen aus der Filmgeschichte.

Die „Psycho Suite“ aus der Filmmusik von Bernard Herrmann für den Thriller von Alfred Hitchcock bot mit dem stakkatohaften Thema den Streichern gute Gelegenheit, dem Publikum ein wenig Gruseln zu bereiten. Ein Fest für die Bläserbesetzung bzw. für die Kommunikation innerhalb der Instrumentengruppen wurde die in mehreren Filmen verwendete Pavane für Orchester von Gabriel Fauré. Und schließlich wurde man beim „Zauberlehrling“ von Paul Dukas in der Fassung von Iain Farrington an das Wagner-Programm im Vorjahr erinnert. Damals schon setzte man auf die Ideen des britischen Komponisten und Arrangeurs und sorgte nun für wunderbar zartes Kopfkino mit Bildern aus Disneys „Fantasia“.

Für manche war es neu, manchen bot Michael Köhlmeier mit seinem Wissen über Filme, deren Macher und deren Komponisten auch wunderbare Erinnerungen. Neil Young improvisierte einfach zu Szenen aus „Dead Man“ von Jim Jarmusch und schuf damit diesen tollen Soundtrack, Bernard Herrmanns letzte Arbeit war die für „Taxi Driver“ von Martin Scorsese und dass der Schriftsteller vor der Kunst des Synchronisierens den Hut zieht, verwundert nicht, arbeitete er als Hörspielautor doch auch mit Christian Brückner und Wolfgang Dräger. Dass ihn Goethes „Zauberlehrling“ auf die Angst des Menschen vor seinen Schöpfungen verweisen lässt, war klug und zugleich unterhaltsam eingebaut. Wie war das mit „Frankenstein“? Der jungen Mary Shelley kam die Idee für den Roman am Genfersee. Mit Freunden, darunter Lord Byron und John Polidori, war sie unterwegs. Die ausschweifenden Vergnügungen waren irgendwann nicht mehr tagesfüllend, da besann man sich darauf, Schauergeschichten zu verfassen . . .

Übrigens: Zu den Lieblingsfilmen von Tobias Grabher zählt „Wie im Himmel“ von Kay Pollak. Erzählt wird von einer besonderen Dirigentenkarriere und der Kraft der Musik.

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