Einzigartig: Israel Galván mit “Seises” und dem Vorarlberger Chor Calypso
Es ist ein hervorragendes Konzept des Festivals Bregenzer Frühling, das nun von Judith Reichart verantwortet wird, Künstler und Compagnien, die hier ihre Produktionen zeigten, nach einigen Jahren erneut einzuladen. Israel Galván, einem Star des neuen Flamenco, dem das Publikum hier bereits mehrmals begegnen konnte, präsentierte nun erstmals in Österreich das Projekt „Seises“. Was als Tanz-Solo, das religiöse Traditionen thematisiert, beschrieben wird, ist eine dem Begriff Flamenco angemessen freche sowie einzigartige Übertragung des Tanzes in die Gegenwart und zugleich ein Abriss der Geschichte Sevillas. Es ist schlichtweg phänomenal.
Wer davon ausgeht, dass es bereits sehr gewagt ist, sich von Literatur – unter anderem von Federico Garcia Lorca – , nicht vom Gitarrenklang, sondern von Instrumenten wie Klavier und Cembalo (mit Daria van den Bercken und Gerard Bouwhuis) sowie Kompositionen u. a. von Domenico und Alessandro Scarlatti zum Zapateado inspirieren zu lassen, der kennt Galván noch nicht. Selbst wenn er auf dem Ergometer oder mit dem Scooter agiert, die Akustik beim Tanzen mit einer Matratze dämpft oder mit am Boden ausgelegten Kastagnetten verstärkt – es verkommt nichts zur Show, nichts zur Exaltiertheit, nichts zum Spektakel. Eleganz, Konzentration, Präsenz, ein subtiler Humor und eine sichtbare Lust an der Improvisation verleihen dem Projekt besondere Lebendigkeit, dem Helena Astolfi und Ramón Martinez vortragend oder mit der Bata de Cola weitere Aspekte beisteuern.
Mitzudenken, dass sich der Titel vom „Baile de los Seises“ ableitet, einem ins 16. Jahrhundert zurückreichenden Tanz in der Kathedrale von Sevilla, setzt Assoziationen frei. Es sind Einflüsse aus verschiedenen Kulturen, die dieser Tanz so schön bekundet, es sind aber auch die Mechanismen der Unterdrückung durch klerikale Machthaber, die in dieser komplexen Produktion thematisiert sind.
Vorarlberger Kinder- und Jugendchor
Dass kein großes Sakralwerk, sondern Webbers „Pie Jesu“ angestimmt wird und dass Isreal Galván dabei mit einem regionalen Ensemble, dem gut geschulten Kinder- und Jugendchor Calypso unter der Leitung von Anne Mayer-Weiß, gearbeitet hat, verleiht dem Finale seiner „Seises“-Interpretation besondere Authentizität. Weit entfernt von Ritualen, vermittelt der Auftritt menschliche Berührtheit.
Christa Dietrich
Nächster Programmpunkt beim Bregenzer Frühling: Richard Siegel, „Ballet of Difference“, 1. April, 20 Uhr, Bregenzer Festspielhaus.