Weit mehr als Schultheater: “Kolumbus 1492” von Jura Soyfer am Gymnasium Egg
„Romeo und Julia“ ist nicht nur einer der größten Klassiker der Tragödienliteratur, die Geschichte über die jungen Liebenden aus Familien, die einander Feind sind, zählt auch zu den Klassikern des Schultheaters. Keine Frage, dass dieses Werk von Shakespeare bereits mehrmals am Gymnasium Egg aufgeführt wurde. Direktor Ariel Lang und sein Team mit einem begeisterungsfähigen Lehrkörper sowie Schülerinnen und Schülern, deren Begabungen immens gefördert werden, hat aber auch schon mit dem schwierigen „Sommernachtstraum“ überrascht. Er widmete sich mit Arthur Millers „Hexenjagd“ vor ein paar Jahren den Mechanismen der Aufhetzerei mit ihren fatalen Folgen und wählte nun ein Stück, das ob seiner Struktur und seiner politischen Spitzen auch die Profis vor eine Herausforderung stellt. Es konfrontiert zudem mit den dunkelsten Seiten der Landesgeschichte.
Gespielt wird „Kolumbus 1492“ von Jura Soyfer, auch bekannt unter dem Namen „Broadway Melodie 1492“.
In Gargellen festgenommen
In den 1990er-Jahren hatte das Landestheater (damals das Theater für Vorarlberg) das Werk einmal auf dem Spielplan. Augustin Jagg, längst Leiter des Theaters Kosmos, hatte inszeniert. Was die darstellende Kunst betrifft, so beschäftigte sich in den letzten Jahren vor allem das Teatro Caprile im Rahmen der gemeinsam mit den Montafoner Museen realisierten „Auf der Flucht“-Serie auch mit Jura Soyfer. Historiker haben das grausame Schicksal des Schriftstellers (1912-1939) in ihren Publikationen dokumentiert. Soyfer stammt aus einer jüdischen Industriellenfamilie und war in Wien bereits als Schüler literarisch aktiv. Nachdem er unter anderem Artikel für die Arbeiter-Zeitung verfasste und politische Vorgänge analysierte wurde er mit Leon Askin und Hans Weigel bekannt. Im Wiener Theater ABC, einer Bühne, die Richtung Kabarett und Satire tendierte, wurden seine Stücke aufgeführt.
Am 13. März 1938, einen Tag nach dem Anschluss Österreichs an Nazi-Deutschland, war er bereits auf dem Weg in die Schweiz. Fanatische österreichische Beamte nahmen ihn kurz vor der Grenze in Gargellen fest. Über Bludenz und Feldkirch kam er ins KZ Dachau und wurde schließlich in Buchenwald interniert. Einer Tötungsart im Nationalsozialismus, der Unterbringung und der Zwangsarbeit unter grauenhaften hygienischen Verhältnissen, fiel er im Februar 1939 zum Opfer.
Viel Stoff für Schülerinnen und Schüler
Die Biografie bietet viel Stoff für Schülerinnen und Schüler der Oberstufe. Das Stück selbst eröffnet die Auseinandersetzung mit den Mechanismen, die dazu führten, dass Christoph Kolumbus überhaupt nach Indien segeln bzw. Amerika entdecken konnte und erläutert auch gut die Strategie der Satire.
Umsetzen lässt es sich allerdings nur mit jungen Leuten, die bereit und in der Lage sind, die ungemein textlastigen Passagen zu bewältigen. Das heißt: Satire funktioniert nur, wenn die Dialoge genau gesetzt werden und die Einsätze exakt erfolgen. Wer die Aufführung erlebt hat, kommt zum Schluss, dass die Leistung nicht mehr im Kontext von Schultheaterproduktionen rezipiert werden kann. Kurz: Ich habe schon mehrere Projekte am Gymnasium Egg verfolgt und befand mich in einem Sog, der nur bei ungemein genauer Arbeit, bei einem besonderen Verständnis für den vielschichtigen Text, für jedes Wort entstehen kann. In den rasch wechselnden Einzelszenen sind die Akteurinnen und Akteure sofort präsent und die Musik unterstreicht bestens das Ineinanderfließen der Auftritte.
Über 30 Schülerinnen und Schüler aus der 5. bis zur 8. Klasse sind im Einsatz. Sonderbegabungen sind rasch auszumachen, aber man weiß, auch der kleinste Einsatz und jede kleine Geste muss sitzen.
Das sitzt
Das Stück legt die feudalen Strukturen im späten 15. Jahrhundert ebenso offen wie die Intrigen und das Geltungsbedürfnis von Höflingen, Jura Soyfer bezog es selbstredend auf den Faschismus und Chauvinismus seiner Zeit, wusste mit Satire und Witz umzugehen und konnte sich auf die Auseinandersetzung von Kurt Tucholskys und Walter Hasenclever mit Kolumbus stützen. „Wir kommen in friedlicher Absicht, wir wollen nur vom Land Besitz ergreifen“, heißt es bei ihm. Und Grenzen werden nicht geöffnet, „weil wir eine Nation sind“. Manches kommt uns leider ziemlich heutig vor. So bekommen auch Journalisten, denen eine Recherche zu mühsam ist, ihr Fett ab. Das sitzt und das passt.
Ariel Lang hat Regie geführt und eine Reihe von Gymnasiallehrerinnen und -lehrern haben mitgearbeitet, die Ausstattung entworfen oder waren für die Musik, die Technik etc. verantwortlich.
In der Vergangenheit unsere eigene Gegenwart entdecken ist ein pädagogisches Prinzip, mit dem Stück von Jura Soyfer wird es zum intellektuellen Vergnügen.
Christa Dietrich
Weitere Aufführungen am 31. März im Wäldersaal in Lingenau und am 2. April im Hermann-Gmeiner-Saal in Alberschwende.