„Horizon Field“ oder die Wiederkehr der 100 Eisenmänner in Lech: Das Kunstprojekt ist nicht 12, sondern gut 25 Jahre alt und es sind viele Fragen offen

„Horizon Field“ oder die Wiederkehr der 100 Eisenmänner in Lech: Das Kunstprojekt ist nicht 12, sondern gut 25 Jahre alt und es sind viele Fragen offen

Als es dem Kunsthaus Bregenz im Sommer 2010 gelang, die Installation „Horizon Field“ im Arlberggebiet zu realisieren, war ihm die mediale Aufmerksamkeit gewiss. Hundert Figuren aus Eisen in der Landschaft zu positionieren – dieses Konzept war damals allerdings alles andere als neu. Was man in der alpinen Region zu sehen bekam, gab es über zehn Jahre zuvor, das heißt, in den 1990er-Jahren bereits im Flachland. 

„Another Place“ nannte sich die Anordnung von lebensgroßen Metallplastiken am deutschen Nordseeufer in Cuxhaven. Wie die Fotodokumente zeigen, veränderte sich das Bild, da die etwas weiter im Meer angebrachten Skulpturen bei Flut nicht mehr oder kaum noch aus dem Wasser ragten bzw. bei Ebbe vollkommen sichtbar waren.

Meine erste persönliche Begegnung mit dieser Installation des britischen Künstlers Antony Gormley (geb. 1950 in London) erfolgte im Frühjahr 2003. Im Rahmen der triennal stattfindenden Beaufort-Ausstellung entlang der gesamten belgischen Künste wiederholte Gormley sein „Another-Place“-Projekt in De Panne. Im Küstensand postiert waren exakt jene bzw. jene Art von Figuren, die sieben Jahre später auch das Arlberggebiet besiedelten. Ich habe sie nicht abgezählt, aber vor dem unendlich wirkenden Horizont, den Wellenkronen, den kreischenden Möwen und neben einzelnen Spaziergängern ergaben sich beeindruckende Bilder.

Damals als temporäres Kunstwerk genehmigt

Damals war bereits Eckhard Schneider Direktor des Kunsthaus Bregenz. Mit Arbeiten von Jenny Holzer erweiterte er bald den Radius der Ausstellungsorte, brachte Kunst in den öffentlichen Raum bis nach Lech. Dass er Größeres plante, war bald bekannt. Bis die 100 Eisenskulpturen von Antony Gormley dem Konzept entsprechend auf einer Höhe von 2039 Metern im Arlberggebiet bzw. von Stuben bis in den Bregenzerwald postiert werden konnten, mussten allerdings zahlreiche Verträge abgeschlossen und Genehmigungen eingeholt werden. Das zog sich hin. Bei der Eröffnungsparty im August 2010 hatte Schneider die KUB-Leitung bereits abgegeben. Schon damals bzw. genährt von viel Euphorie wurde der Wunsch laut, das Projekt „Horizon Field“ in eine dauerhafte Einrichtung zu überführen. Was allerdings nicht dem von Gormley wortreich erläuterten Konzept einer temporären Kunstinstallation entsprach, für die man die Genehmigung bekam. Sprich: das Abbaudatum war schon beim Aufbau vorgegeben. Im Jahr 2012 wurden die Skulpturen wieder entfernt. 

Gefallen an Kunstwerken im öffentlichen Raum gefunden, kümmerten sich die Mitglieder eines unter dem Namen „Horizon Field“ gegründeten Vereins daher um die Errichtung eines Skyspace des amerikanischen Künstlers James Turrell auf der Alpe Tannegg über Lech. Der Lichtraum konnte im September 2018 eröffnet werden.

Die Kosten wurden im Jahr 2010 mit 600.000 Euro angegeben

Derselbe Verein informierte die Öffentlichkeit Mitte März dieses Jahres nun darüber, dass man eine Neuauflage der Arbeit von  Antony Gormley beabsichtige. Und zwar als dauerhafte Installation. Unter dem Unternehmer Otto Hubert hat der Verein mittlerweile rund 70 Mitglieder. Die Finanzierung soll rein privat erfolgen.

Kostensumme wurde bislang keine angegeben. Beobachter wissen jedoch, dass die Kosten von „Horizon Field“ damals mit 600.000 Euro beziffert wurden. Einen beträchtlichen Teil davon übernahm die öffentliche Hand bzw. er kam aus dem Budget des Kunsthaus Bregenz.

Klammert man die Kosten, die mittlerweile höher sein dürften, einmal aus, so steht wohl fest, dass die behördlichen Genehmigungen eine enorme Hürde darstellen. Thomas Häusle, Mitglied im Vorstand des Vereins und als Leiter des Kunstraum Dornbirn mit der Realisierung von Arbeiten im öffentlichen Raum betraut, machte im Gespräch mit mir keinen Hehl daraus, dass es nicht absehbar ist, ob die Genehmigungen überhaupt erfolgen.  Laut Obmann Otto Huber wird noch ein umfassendes „Nachhaltigkeitskonzept“ erarbeitet.

Anreise aus London

Angesichts der Tatsache, dass in Lech genügend Millionäre urlauben oder einen Wohnsitz haben, die bereit sind, auf nette Art viel Geld loszuwerden, dürften die Errichtungskosten das kleinere Problem neben den Sicherheits- und Landschaftsschutzauflagen sein. Doch bleiben auch die Wartungskosten in privater Hand? Die Sockel für die jeweils über 600 Kilo wiegenden Eisenskulpturen sind noch vorhanden, jeder einzelne müsste jedoch ob seiner Verankerung und Nutzbarkeit überprüft werden. Und das wohl mindestens einmal im Jahr. Man erinnert sich noch, dass es damals auch Skulpturen aus der Verankerung riss.

Die abgebauten Eisenmänner, wie die Vorarlberger die Figuren bald nannten, befinden sich laut Nachfrage in einem Depot in London. Der Nachguss beschädigter und verkaufter Skulpturen ist kein großes Problem, der Transport per Hubschrauber war 2010 bereits nach wenigen Tagen erledigt. Allerdings musste einem anderen Treiben Einhalt geboten werden. Nicht jeder, der sich plötzlich für zeitgenössische Kunst in der Landschaft erwärmte war auch bereit, die Skulpturen abzuwandern, aus Hubschraubern ergaben sich zudem schöne Fotomotive. Rundflugunternehmen entwickelten daraus ein Geschäftsmodell, das ganz und gar nicht im Sinne jener Sensibilisierung für die Natur war, für die Antony Gormley eintrat. Die Rundflüge wurden untersagt bzw. reduziert. 

Relevante Fragen

Wenn die Vereinsmitglieder von „Horizon Field“ nun schon guten Mutes sind, dass eine entsprechende Summe per Crowdfunding aufgetrieben werden kann, darf man einwenden, ob nicht ein neuer Auftrag an eine Künstlerin oder einen Künstler erfolgen sollte. Thomas Häusle wehrt den Gedanken nicht ab. Er verweist aber auch auf die Reputation von Gormley, die er davon ableitet, dass Ausstellungen seiner Arbeiten jeweils enormen Zulauf hatten. Im Anschluss an das Projekt in Lech errichtete der Brite etwa  in den Deichtorhallen das „Horizon Field Hamburg“, zuletzt erfolgte ein Schau in London. 

Rechtfertigt das das mehrmalige Aufwärmen einer Aktion bzw. die Daueraufstellung der Eisenmänner im Arlberggebiet? Was heißt Land Art, also Kunst im öffentlichen Raum, heute? Das sind relevante Fragen.

Christa Dietrich

Bilder: Bevor “Horizon Field” 2010 im Arlberggebiet errichtet wurde, waren die Skulpturen von Antony Gormley unter dem Titel “Another Place” an der deutschen und belgischen Küste postiert.

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