Theater Kosmos: Freier Eintritt für Frauen, vier große Stücke und in fünf Jahren eine neue Leitung
Als Hubert Dragaschnig bemerkte, dass er in der Produktion „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“ die Rolle von Richard Burton übernehmen wird, war das ein witziger Einwurf im Rahmen der Vorstellung der Vorhaben des Theaters Kosmos im Jahr 2023. Ein paar Erläuterungen später, die auch beinhalteten, dass das Unternehmen sein Prädikat, eine Ur- und Erstaufführungsbühne zu sein, schließlich nicht verliert, wenn es neben vielen neuen Stücken einen Klassiker im Programm hat, schloss sich ohnehin der Kreis: Angesichts der Ungeheuerlichkeit, dass die Entgeltgleichheit zwischen Männern und Frauen in Österreich immer noch nicht erreicht ist, will das Theater Kosmos, Frauen in der mit dem Equal Pay Day errechneten Zeitspanne, in der sie pro Jahr statistisch gesehen unentgeltlich arbeiten, freien Eintritt gewähren.
Symbolisch ist das sicher ein gutes Zeichen und so gesehen nimmt es sich auch gut aus, dass mit „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“ ein Stück gewählt wurde, bei dessen Verfilmung Liz Taylor für die Rolle der Martha eine weit höhere Gage einstrich als der erwähnte Richard Burton. Sabine Lorenz wird übrigens die weibliche Hauptrolle übernehmen, Augustin Jagg inszeniert das 1962 in New York uraufgeführt Werk von Edward Albee. Die Premiere findet bereits am 23. Februar statt.
Vier große Produktionen bilden weiterhin das Zentrum des Jahresspielplanes im Theater Kosmos, der das Motto „Liebe in Zeiten der Krise“ erhielt. Die Problematik im Albee-Klassiker, die Lebenslüge eines Paares und die verlorenen Illusionen, ist hinlänglich bekannt, die österreichische Autorin Teresa Dopler erzählt in „Das weiße Dorf“ von einem jungen Paar, das sich trennte, an Bord eines Kreuzfahrtschiffes einander wieder begegnet und die Entscheidung zu hinterfragen beginnt.
Sina Heiss ist Augustin Jagg mit der Adaptierung des Tschechow-Stücks „Iwanow“ aufgefallen, das unter dem Titel „Die Überflüssigen“ an einer Wiener Kleinbühne uraufgeführt wurde.„Möwe/Retweeted“ lautet der Titel des Werks, mit dem sie sich wiederum auf Tschechow bezieht und das Bedürfnis nach Zuneigung und Anerkennung für das künstlerische Schaffen, das der Autor in „Die Möwe“ in die Gegenwart mit ihren neuen Kommunikationsmitteln verlegt.
Die österreichische Autorin Irene Diwiak erreichte mit ihrem Stück „Die Erwachsenen“ den zweiten Platz beim im Jahr 2022 ausgeschriebenen Ingo & Ingeborg Springenschmid Preis. Insgesamt 27, selbstverständlich anonymisierte Stücke wurden von der Jury bewertet. Das personenreiche Siegerstück „Die Abwesenden“ von Jan Moritz Müller soll zu einem späteren Zeitpunkt aufgeführt werden. „Die Erwachsenen“ beleuchtet die Auseinandersetzung mit dem Aufwachsen in einer dysfunktionalen Familie, wobei auch das Nachwirken rechter Ideologien behandelt wird.
Zukunftsperspektiven und neue Leitung
Die für die nächsten fünf Jahre in Aussicht gestellten Beiträge des Landes Vorarlberg und der Stadt Bregenz ermöglichen es dem Theater Kosmos, sich mit einem erweiterten Programm auf die Rückgewinnung des Publikums nach der Pandemiezeit zu konzentrieren. Erstmals konkretisierten Augustin Jagg und Hubert Dragaschnig, dass sie die Leitung ihres im Herbst 1996 eröffneten Theaters danach, das heißt, in fünf Jahren, abgeben wollen.
Im Kosmodrom, der Bühne für junge Dramatikerinnen und Dramatiker, die hier mit einem Team von Experten arbeiten und Texte zur Aufführung bringen können, ist bereits eine Veränderung erfolgt. Stephan Kasimir, der seit einigen Jahren auch das in Dornbirn ansässige Theater Unpop leitet, hat seine Kuratorenschaft an Michaela Vogel übergeben. Sie inszeniert die nächste Produktion „Oder ein Schiefer im Stamm“ von Raoul Eisele.
Zu den wesentlichen Kooperationen des Theaters Kosmos zählt auch jene mit dem Wiener Wortstätten Drama Lab, das vom Schriftsteller Bernhard Studlar mitbegründet wurde.
Ein Autorinnen- und Autorenwettbewerb wird mit Mittelbühnen in anderen Bundesländern, mit denen man über die Theaterallianz verbunden ist, realisiert. Eine weitere Uraufführung nach „Lohn der Nacht“ im Sommer 2021 im Rahmen der Bregenzer Festspiele ist in der Saison 2024 geplant. Das Thema orientiert sich an jenem der neuen Seebühnenproduktion, nämlich am „Freischütz“ von Carl Maria von Weber. „Deal or no Deal“ klingt harmlos, Opernkenner wissen, dass es sich dabei um einen Pakt mit dem Bösen bzw. dem Teufel handelt.
Opernfreunde werden heuer im Besonderen auch vom Kammerorchester Camerata Musica Reno bedient. Dirigent Tobias Grabher offeriert Passagen aus Musikdramen von Richard Wagner, die von der mythologischen Sagenwelt inspiriert sind. Niemand könnte das wohl besser erläutern als der Schriftsteller Michael Köhlmeier. In einer zweiten Produktion widmet man sich mit Werken von Aaron Copland, Charles Ives und George Gershwin der etwas jüngeren Musik, die die Tänzerin Silvia Salzmann in ihrer Sprache interpretiert.
Kosmos bleibt nicht nur Theater-, sondern auch Diskursbühne, auf der in Zusammenarbeit mit der Vorarlberger Armutskonferenz Vorträge zu sozialen Themen stattfinden. Jazzkonzerte, Lesungen und ein Programm für Kinder verschiedener Altersstufen weisen das Unternehmen längst auch als eine der wesentlichen Kulturinitiativen des Landes aus.
Bemerkung zur Kosmos-Bühne und zum Landestheater
Wer sich mit dem umfangreichen Vorhaben und den Kooperationen von Augustin Jagg und Hubert Dragaschnig auseinandersetzt, für den müsste klar sein, dass es keinerlei Sinn gibt, das Vorarlberger Landestheater, die große Profi-Bühne in Bregenz, nun in eine Art Kulturinitiative mit reduzierten Eigenproduktionen und Gastspielen umzuwandeln. Ein Landestheater hat die Aufgabe, ein breitgefächertes Programm mit Klassikern und zeitgenössischer Literatur anzubieten sowie nach Möglichkeit mit Künstlerinnen und Künstlern in der Region zu arbeiten und Themen zu behandeln, die relevant sind. Mit Max Lang, der unter dem Titel „Sprich nur ein Wort“ ein Stück zu Franz Michael Felder verfasste, mit Daniela Egger, die sich mit Kundeyt ªurdum befasste und mit „Zwei Frauen, ein Leben“ ein Stück bot, das nun schon seit einigen Wochen auf dem Spielplan steht, gelang das in hervorragender Weise. Demnächst wird mit „Wunsch und Widerstand“ an Max von Riccabona erinnert.
Einige ausgewählte Gastspiele hat das Landestheater auf dem Programm, eine verstärkte Kooperation mit anderen Länderbühnen oder Stadttheatern in der Region, von der in ÖVP-Kreisen gesprochen wird, ist als Ansinnen erstens nicht neu und wurde aus guten Gründen schon vor Jahren nicht weiterverfolgt. Zweitens ergeben sich bei näherer Betrachtung daraus keine echten budgetären Vorteile und drittens ist auf die Qualität zu achten, die nur wenige mobile Produktionen haben. Die Wiener Festwochen brauchen ein Millionenbudget, um sich gute Stücke aus aller Welt zu holen.
Wer glaubt, dass eine Kooperation mit dem Theater Konstanz oder mit einer Bühne in Süddeutschland so einfach wäre, hat wenig Ahnung von den Mechanismen der Spielplanerstellung. Die Förderungswürdigkeit von Tourneetheaterunternehmen, die sich ein paar von Fernsehproduktionen bekannte Schauspielerinnen und Schauspieler buchen und sie (zumeist mit einer Komödie) auf die Reise schicken, ist zu hinterfragen. Werden solche Produktionen in den Spielplan einer öffentlich finanzierten Bühne genommen, die das Vorarlberger Landestheater ist, wäre das zumindest diskussionswürdig.
Was ein Landestheater charakterisiert, steht fest. Als solches ist das Vorarlberger Landestheater zu erhalten, das, wie genaue Beobachter wissen, ohnehin erst seit dem Jahr 2000 besteht. Mit der Mittelbühne, dem Theater Kosmos, dem Aktionstheater und kleineren Profi-Bühnen ergibt sich eine lebendige Theaterlandschaft.
Christa Dietrich