„Dirty Dishes“, eine wertvolle Kooperation des Vereins Motif mit dem Theater Kosmos
Wer darauf angewiesen ist, einen an sich ungesetzlichen Deal mit einem Dienstgeber einzugehen, das heißt, illegal zu arbeiten, der ist grenzenlos ausbeutbar. Gegebenenfalls bis über den Tod hinaus. So ließ sich das Kernthema von „Dirty Dishes“ zitieren, als das Stück von Nick Whitby in der Regie von Augustin Jagg im Jahr 1997 erstmals in Österreich inszeniert wurde. Das Podium – eine Restaurantküche – wurde damals auf der Hinterbühne des Bregenzer Festspielhauses errichtet, wo sich das Theater Kosmos erst ein paar Monate zuvor eingerichtet hatte. Mittlerweile ist das von Augustin Jagg und Hubert Dragaschnig geleitete Kulturunternehmen im Shed8-Areal eine Institution. Kooperiert wird mit Mittelbühnen in anderen österreichischen Bundesländern, mit Orchestern, Musikern, Schriftstellern und ab und zu auch mit dem interkulturellen Verein Motif.
Schon die Ankündigung, dass sich Motif, geleitet von Yener Polat, nun „Dirty Dishes“ widmen will und dafür den Kosmos-Raum bekommt, weckte schöne Erinnerungen, konfrontierte aber auch mit der Tatsache, dass das sozialkritische Sujet bei aller Zuspitzung, Überhöhung und schwarzhumorigen Ausformung nichts an Aktualität verloren hat. Der Engländer Nick Whitby hatte das Stück bereits Mitte der 1980er-Jahre unter dem Einfluss steigender Arbeitslosenzahlen und der Schwächung der Gewerkschaften unter der Regierung von Margaret Thatcher verfasst. Um den Job nicht zu verlieren, wurden Doppelschichten und willkürliche Lohnkürzungen in Kauf genommen. Der Gedanke, dass heutzutage gerade im Gastgewerbe jeder Jobsuchende aus mehreren Angeboten wählen kann, kommt nicht auf, denn „Dirty Dishes“ zielt, abgesehen von der Rahmenhandlung, auf perfide Machtkonstellationen: Der, der Geld hat, agiert janusköpfig als einlullender Wohltäter, der einigen illegal Tätigen ein paar schnell zu verdienende Euros offeriert, sowie als perfider Unterdrücker, der sich an der Abhängigkeit seiner Untergebenen ergötzt.
Humor und Groteske
Dass Whitby im Verhalten der Arbeiter kaum ein Klischee auslässt, verlangt nach Überhöhung und Überzeichnung bis hin zur Karikatur. Stephan Kasimir, bekannt als Förderer junger Dramatiker bei Kosmos und als Leiter des Theaters Unpop, sowie Nuri Kalfa bieten diesbezüglich als Regieteam ein gutes Maß, übersteigern das Tempo nicht, dosieren die Situationskomik und haben eine Darstellercrew, die den Humor wie das Groteske sehr gut auf die Reihe kriegt. Bei der Exzentrik etwas mehr oder weniger auf die Tube zu drücken, ist reine Geschmacksache. Hanno Dreher und Yasmin Ritter kippen als Restaurantleiter und dessen Assistentin ihre jeweiligen Parts wunderbar leichtfüßig ins Absurde. Sie bieten damit dem aus gut geschulten Amateuren bestehenden Motif-Team mit Okan Kalfa, Kader Eraslan, Erkan Teker, Yasar Capar, Sevgi Barlas, Vildan Toprak, Mehmet Ikbal und Ogulcan Polat einen guten Rahmen, um sich ins Zeug zu legen und ihre Grenzerfahrung, ihren Überlebenskampf, die Sticheleien untereinander, aber auch ihre Solidarität spürbar zu machen.
Ausverkaufte Vorstellungen
Im abgewandelten und irgendwo in der Region verorteten Stücktext kommen die Ausgebeuteten aus Russland, Albanien, Anatolien, der Ukraine, Syrien, dem Irak und der Türkei. Im Bühnenbild von Manuel Menghin finden sie eine Küche, die bei einer etwaigen Behördenrazzia überraschende Versteckmöglichkeiten bietet. Ob es an der Politik liegt, dass solche Zustände möglich sind, ob es die Menschen bzw. die Restaurantbesucher sind, die einfach wegschauen, ob wir zu wenig aufeinander hören? Diese Fragen nehmen die Zuschauer mit. Gestellt werden sie ihnen mit ungemein viel Witz. Dass es eine große Bereitschaft gibt, sich damit zu konfrontieren, zeigen ausverkaufte Vorstellungen und Zusatzaufführungen, für die die Termine noch bekanntgegeben werden. Sie bestätigen dem Verein Motif und dem Theater Kosmos auch den hohen Wert ihrer Kooperation.
Christa Dietrich