Die große Ausstellung von Rosemarie Trockel in Frankfurt erinnert an eines der besten Projekte im KUB

Die große Ausstellung von Rosemarie Trockel in Frankfurt erinnert an eines der besten Projekte im KUB

Es war sicher eine der bedeutendsten Ausstellungen unter den vielen mit starker Nachwirkung, die das Kunsthaus Bregenz (KUB) realisierte, als vor nahezu acht Jahren unter der Leitung von Yilmaz Dziewior das Engagement von Rosemarie Trockel gelang. Vieles erinnert an dieses Projekt, wenn für die deutsche Künstlerin (geb. 1952), ausgezeichnet u. a. mit dem Goslaer Kaiserring und dem Ros­witha-Haftmann-Preis, nun bis 18. Juni das gesamte Museum moderner Kunst in Frankfurt leergeräumt wurde. Im Bau von Peter Zumthor in Bregenz ist das gang und gäbe, in Frankfurt ist es eine Besonderheit. Das Durschreiten der verwinkelten Räume im architektonischen Tortenstück von Hans Hollein wird allerdings nicht mehr als lästig empfunden. 

Ironie und Intellekt

Dass Trockel, die in verschiedenen Bereichen tätig ist, Installationen, Skulpturen, Zeichnungen, Fotografien und Filme schafft, das gesamte Haus bewältigt, steht außer Frage. Susanne Pfeffer hat kuratiert und zeigt Werke aus den 1980er- und 1990er-Jahren sowie jene, die erst jüngst entstanden sind, ohne dass der Eindruck einer Retrospektive entsteht. Trockels vielschichtige Auseinandersetzung mit relevanten gesellschaftspolitischen Themen, mit kollektiven Erfahrungen von Frauen, mit Rollenzuschreibungen und Rollenverhalten sowie ihre Ironie und ihr Intellekt hielten jegliche Patina fern.

 „Märzoschnee und Wieborweh sand am Maorgo niane me“ lautete der Titel der Bregenzer Ausstellung. Trockel hatte sich im Bregenzerwald aufgehalten. Das damalige Hauptwerk, die Skulptur „The Critic“, ist vor Ort entstanden. Abgesehen davon, dass es zu jenen Werken zählt, die die Bedeutung der Vorarlberger Einrichtung, deren internationale Positionierung und Strahlkraft dokumentieren, erhält es auch ein Statement: Gewappnet mit dem Wissen über Geschichte und Tradition sowie mit dem Vertrauen auf das eigene Können schreitet das Wesen, das männliche und weibliche Attribute vereint, dahin. Der Rock ist in Falten gelegt wie eine Wäldertracht, im Oberteil ist eine Schutzweste eingearbeitet und anstelle von Stickborten blitzen Tierzähne. Während der Rücken mit Trutz-Objekten verziert ist, wurde die Haube durch ein Waschgefäß ersetzt, in dem die Trägerin aber nicht Alltagsgegenstände, sondern Gamsbärte wie eine Beute gesammelt hat.

Hat sich diese Person also gegen das Patriarchat gewehrt, das einen Spruch wie den titelgebenden entstehen ließ? Rosemarie Trockel hat sich, wie wir wissen, in der vor Jahren noch stärker als heute von Männern dominierten Kunstwelt durchgesetzt. Dass „The Critic“ unter dem geschlitzten Rock reizvolle Dessous trägt, während die Füße in bequemen Tretern stecken, erinnert an eine Parodie, die vor knapp 40 Jahren entstanden ist: Eine nackte Frau posiert elegant auf Herdplatten neben Töpfen und einem Mixer. 

Hinterfragung

Die vielfach rezipierten Bilder aus Wolle, mit denen Rosemarie Trockel so ironisch auf Zuordnungen in Gesellschaft und Kunst verweist, wurden am Computer konzipiert. Bezugnehmend auf abstrakte Gemälde taugen sie zur Hinterfragung klischeehafter Konnotationen oder Mechanismen des Kunstmarktes. 

Ein neues, mit schwarzen Wollfäden umspanntes Werk trägt den Titel „Widow“. Eine Schwarze Witwe also? Rosemarie Trockel spricht nicht über ihre Arbeiten. Werke wie die vor rund 30 Jahren entstandene Bronzeskulptur einer an den Hinterflossen hängenden Robbe mit blondem Haarkranz sind heute so spannend zu erkunden wie bei der ersten Präsentation. Ein Zitat von Karl Kraus ist der Skulptur beigefügt: „Es gibt kein unglücklicheres Wesen unter der Sonne als einen Fetischisten der sich nach einem Frauenschuh sehnt und mit einem ganzen Weib vorlieb nehmen muss“. Fast drei Meter hoch ist die Skulptur „Notre Dame“. Sie gleicht einer Haarnadel, die aus lasziven Locken biedere Frisuren entstehen lässt, mit der man sich aber auch selbst verletzen oder zur Wehr setzen kann. 

Christa Dietrich

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