Spannender Spielplan: Aber wie geht es mit dem Landestheater weiter, dessen holpriger Werdegang vielen nicht bekannt ist?

Spannender Spielplan: Aber wie geht es mit dem Landestheater weiter, dessen holpriger Werdegang vielen nicht bekannt ist?

Wer seit vielen Jahren Aufführungen des Vorarlberger Landestheaters miterlebt hat oder wer sich die Mühe macht, sich mit der Geschichte dieser Bühne auseinanderzusetzen, der weiß, dass die finanzielle Situation enorm angespannt ist. 

Zur Erläuterung: Ein Landestheater wurde das Unternehmen im Bregenzer Kornmarkttheater erst kurz vor der Jahrtausendwende. Zuvor war es privat von Bruno Felix geführt und wurde vom Land Vorarlberg sowie mit einem kleineren Beitrag vom Bund subventioniert. 

Als einstiges Mitglied des Theaterbeirates des Bundes hatte ich beispielsweise den Antrag um Subventionierung von Bruno Felix genauso auf dem Schreibtisch wie etwa jenen vom fast schon vergessenen, aber wunderbar innovativen Projekttheater von Dietmar Nigsch, vom Theater der Figur, dem Aktionstheater etc. 

Bruno Felix brachte jeweils vom September bis Juni etwa alle vier bis fünf Wochen eine neue Produktion auf die große Bühne, realisierte kleine Produktionen auf der damals sogenannten Probebühne (die jetzt Box heißt), offerierte einen Spielplan mit Klassikern und zeitgenössischen Werken, inszenierte oft selbst  – alternierend mit dem Schauspieler Kurt Sternik -, offerierte vor Weihnachten ein Märchen und ab den späten 1980er-Jahren mit dem Symphonieorchester Vorarlberg unter der Leitung von Christoph Eberle pro Jahr eine Opernproduktion. Man gastierte mit einigen Produktionen im Bregenzerwald oder an anderen Orten in Vorarlberg und verkaufte sie ins Ausland.

Die Auflage vonseiten des Landes lautete, dass der Spielplan vielfältig sein soll, Kulturvermittlung oder Jugendarbeit zu verlangen, war ob der Subventionssumme (die ein Bruchteil der Kosten für einen kleinen Landestheaterbetrieb betrug) selbstverständlich kein Thema.

Vermittlungsarbeit wurde aber vermisst. Dazu kam, dass sich im Sommer 1997, mit der Eröffnung des Kunsthaus Bregenz eine Art Kulturmeile am Bodenseeufer ergab: Landesmuseum (jetzt in um- und ausgebauter Form das Vorarlberg Museum), Theater für Vorarlberg (kurz: TfV, wie das Unternehmen von Felix genannt wurde) und das Kunsthaus stehen in einer Reihe. 

Zur stärkeren Positionierung der Häuser brauchte man ein Landestheater. Ein Budgetplan, der selbstverständlich einen Grundsockel aufwies, der weit höher war als die Kosten für das TfV, wurde erstellt. (Der direkte Beitrag des Bundes fiel natürlich weg, aber bei neuer Trägerschaft gibt es diesbezüglich bekanntlich andere Töpfe.) Das Landestheater, mit dessen Begriff niemand ein Problem hatte, weil viele das TfV schon so nannten, wurde schließlich neben dem Museum und dem Kunsthaus der Kulturhäuser Betriebsgesellschaft (Kuges) angegliedert. 

Stufenplan für die Finanzierung wurde eingestellt

Was die Kosten für die drei Unternehmen betrifft, verlagerte sich der Fokus dann eine Zeitlang auf das Museum, das um- und ausgebaut und 2013 wiedereröffnet wurde. 

Wer sich um das vergleichsweise bescheiden budgetierte Theater kümmerte (in Konstanz wird beispielsweise in ein Sprechtheater in etwa das Doppelte investiert) erfuhr, dass eine stufenweise Erhöhung der Summe für das Vorarlberger Landestheater geplant ist. Vor einiger Zeit wurde dieses vernünftige Vorhaben allerdings eingestellt – die Summe stagniert.

Der Konflikt um den Fortbestand des Theaters war zudem von einem weiteren Thema überlagert, die Immobilie befindet sich nämlich im Besitz der Stadt Bregenz, mit der die Aufführungs- und Probenpläne abgeklärt werden mussten. Bis dem Unternehmen so etwas wie ein Hausherrenrecht zugestanden wurde, vergingen ein paar Jahre. 

Seit Herbst 2018 ist Stephanie Gräve Intendantin des Theaters für Vorarlberg. Nach der mit der Bühnenadaptierung von „Der große Gatsby“ gestarteten ersten Spielzeit war klar, dass da noch mehr drin sein muss. Die zweite Saison begann fulminant mit Shakespeare und Co., aber dann kam Corona mit Aufführungsverboten und Ausgangsbeschränkungen. Nach dem bekannten Versagen der Kulturpolitik, deren Protagonisten lange brauchten, um überhaupt zu kapieren, in welche Nöte Künstlerinnen, Künstler sowie Kulturarbeiterinnen und -arbeiter geraten sind, erinnerte man sich wenigstens beim Bund daran, dass all jene, die im Kulturbereich tätig sind, einen ungemein großen Beitrag zum Anstieg des Wertschöpfungspegels in Österreich leisten. Das Kulturbudget des Bundes wurde erhöht.

Im Land Vorarlberg blieb man blind bzw. uneinsichtig, stopfte mehr Geld in die Bauwirtschaft und kürzte das Kulturbudget.

In der aktuellen Saison sieht es nicht viel besser aus, denn die leichte Erhöhung der Subventionssummen, bzw. Investitionssummen im Kulturbereich steht in keinem guten Verhältnis zur Inflation und den gestiegenen Personalkosten.

Dass sich mit mehr dazu gekauften Produktionen nichts einsparen lässt, wird jedem rasch klar, der sich mit dem Konzept eines Landestheaters beschäftigt. Für Studien, die die Kuges diesbezüglich dennoch erstellen ließ, hat man hoffentlich nicht zu viel Geld verschwendet.

Der aktuelle Spielplan von Stephanie Gräve lässt eine gute Strategie bezüglich der Zusammenarbeit mit Künstlerinnen und Künstlern sowie Kulturinitiativen und Ensembles in der Region erkennen.

Es zeichnen sich zudem folgende Punkte ab:

  1. Ein thematischer Schwerpunkt mit dem Fokus auf die Verantwortung und die Mitgestaltungsmöglichkeit jedes einzelnen Menschen. Sich mit der Philosophin Ayn Rand (auch im Sinne der Gegenargumentation) zu beschäftigen, nimmt Niklas Ritter in „Atlas streikt“ als Herausforderung an. Mit Erich Kästners „Fabian“, der eine demoralisierte Gesellschaft zeichnet, setzt man in Kooperation mit dem Schweizer TOBS Theater eins drauf.
  2. Mit „Hamlet“, „Amphitryon“ und dem Familienstück „Die Schneekönigin“ stehen nicht nur Klassiker auf dem Programm, es sind auch neue Erzählperspektiven zu erwarten.
  3. Mit Sarah Kane („Gier“) und Leonora Carrington („Das Fest des Lamms“) wird die Begegnung mit starken Autorinnen ermöglicht, die in der Region bislang wenig Berücksichtigung fanden. Dass „Gier“ erst jüngst am Schauspielhaus Zürich neuinszeniert wurde, schmälert die Entscheidung nicht.
  4. Die Auseinandersetzung mit der Geschichte Vorarlbergs wird mit einem Stück über die Widerstandskämpferin Maria Stromberger fortgesetzt. 
  5. Mit dem hoch interessanten Stück „Bitch Boxer“ von Charlie Josephine wird das Repertoire an Stücken, die sich vor allem an Jugendliche richten, erweitert.
  6. Die Auseinandersetzung mit Patti Smith und Robert Mapplethorpe erfolgt in „The perfect moment“ mit sehr viel Musik. Den Text schreibt Tobias Fend. Die Kooperation mit dem Theaterensemble Café Fuerte wird somit ebenfalls fortgesetzt wie jene mit dem Aktionstheater.

Übrigens: Wie ich in Erfahrung bringen konnte, hat die Auslastung der Opernproduktion „Maria Stuarda“ von Donizetti (immerhin ein allseits bekanntes Werk) heuer nur etwa 75 Prozent betragen. Eine Nachdenkpause darüber, wie es mit der Zusammenarbeit mit dem Symphonieorchester Vorarlberg (SOV) weiter gehen soll, ist auch aus dieser Perspektive eine gute Entscheidung. Außerdem ist die Frage der Finanzierung zu klären. Dem SOV, das ein Konzertabo anbietet, mag der Wechsel vom Podium in den Orchestergraben (den es im Übrigen auch für die Bregenzer Festspiele vollzieht) gut tun, wenn das Land am Kornmarkt ein Zweispartenhaus (Sprechtheater und Musiktheater) haben will, dann ist dafür Geld locker zu machen. Das müsste an sich jeder verstehen.

Christa Dietrich

Kommentare sind geschlossen.