Kein Puppentanz, sondern Relevanz: Wie das Figurentheaterfestival Homunculus eine wichtige Einrichtung bleibt

Kein Puppentanz, sondern Relevanz: Wie das Figurentheaterfestival Homunculus eine wichtige Einrichtung bleibt

Nein, die Puppen tanzen nicht. Es wurde am gestrigen Abend zwar doch noch getanzt. Jene, die im Anschluss an eine Aufführung im Löwensaal in Hohenems blieben, sich über das Erfahrene austauschten oder mit Kopfhörern das Silent-Disco-Angebot wahrnahmen, zählen wohl zu jenen Menschen, denen klar ist, dass „die Puppen tanzen lassen“ nichts anderes heißt als ausgelassen zu feiern. Wer das Figurentheaterfestival Homunculus immer noch mit dieser Redewendung beschlagwortet, der war seit dem Bestehen dieser Veranstaltungsreihe vermutlich nur selten oder nie dort oder hat sich in den letzten 32 Jahren nicht ernsthaft mit den Inhalten von Puppentheater auseinandergesetzt. Festzustellen ist jedenfalls, dass sich Homunculus nicht nur längst etabliert hat, sondern, dass sich das Publikum sicher sein kann, dass das Festival darauf ausgerichtet ist, die Komplexität des Theaterschaffens auf Bühnen dieses Formats zu vermitteln.

Dazu zählt etwa auch, dass das Schuberttheater Wien mit der Produktion „Die Geschichte der Hedy Lamarr“ in Hohenems gastierte. Die Inszenierung von Kai Anne Schuhmacher entspricht einer vielschichtigen Erörterung des Lebens und Wirkens der Wienerin Hedwig Kiesler, einer Gegnerin des Nationalsozialismus, die in den USA als Schauspielerin Karrire machte sowie als Erfinderin tätig war.

Abgesehen davon, dass Homunculus selbstverständlich auch ein Programm für Kinder und Familien anzubieten hat und dass der Wunsch des Publikums nach Zerstreuung nicht ausgeklammert bleibt, brachte die künstlerische Leiterin Susi Claus ihre Intentionen mit einer eigenen Produktion auf den Punkt. Nach der österreichischen Erstaufführung des Stücks „3 Minuten – Fallout mit Katze“ stand fest, dass gutes Figurentheater zutiefst berührend sein kann, dass es uns das Gefühl kindlicher Freude sowie die Entwicklung von Empathie vermittelt und dass es uns mit den harten Tatsachen des Lebens bzw. der Zeit konfrontiert. 

„Brauchen H2O“

Exakte Analysen über die Höhe der Schwelle zum Einsatz von Atomwaffen kann kein Friedensforscher liefern. Wenn in den Nachrichten von unüberwindbaren Differenzen der Mächtigen berichtet wird, wechseln Susi Claus und ihre Bühnenpartnerin Rike Schuberty somit nicht ins Sci-Fi-Genre. In einer ländlichen Idylle, in der ein älteres Ehepaar mit seiner Katze den Alltag sympathisch-schrullig abspult, wirkt die Liste mit den Dingen, die man für den Fall der Fälle bereitzuhalten hat, absurd. Schließlich bleiben genau noch drei Minuten, um sich auf eine Situation einzustellen, die im Grunde nicht vorstellbar ist. Ihre Aktionen auf einer Bühne kommentierend, die den Zuschauern verschiedene Blickperspektiven bietet, mit ironischen Brechungen, für die ihnen die Katze zur Hilfe kommt, als Spielende und Puppenspielende nähern sich Susi Claus und Rike Schuberty der Extremsituation. „3 Minuten – Fallout mit Katze“ ist gruselig, aber kein Horrorkino. Das entschleunigte Spiel, Fragen, die bewusst offen bleiben und der subtile Humor wirken nach. „Brauchen H2O“ wird an die Scheibe gekritzelt, hinter der sich die beiden verschanzen. Eindrücklich, aber frei von Pathos nach der Zerstörung unserer Lebensgrundlage zu fragen – auch das ist Homunculus.

Das Festival läuft noch bis 20. Mai und endet zeitgemäß damit, dass zwei Frauen die Tafelrunde des legendären König Artus inspizieren. 

Christa Dietrich

Bilder: Festival Homunculus (2), Dietrich (1)

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