Bemerkungen zum neuen Programm der Bregenzer Festspiele

Bemerkungen zum neuen Programm der Bregenzer Festspiele

Puccinis „Madama Butterfly“ ist auf dem See gut angekommen und wird auch 2023 trotz des starren Bühnenbildes sehr bewegen. Dass sich Intendantin Elisabeth Sobotka für Verdis „Ernani“ als Produktion im Festspielhaus entschieden hat, ergibt einen interessanten Programmschwerpunkt und erlaubt einen Blick zurück.

Während sich auf dem See mit Mozarts „Zauberflöte“, inszeniert von Jérôme Savary im Bühnenbild von Michel Lebois, im Jahr 1985 der entscheidende Schritt hin zur Internationalisierung der Bregenzer Festspiele vollzog, ereignete sich der wichtige Qualitätssprung bei den Produktionen im Festspielhaus erst im Sommer 1988 mit „Samson et Dalila“ von Camille Saint-Saens, inszeniert von Steven Pimlott in der Ausstattung von Tom Cairns. Ich erinnere mich noch wie Pimlott, der an der English National Opera gearbeitet hatte, im Interview begeistert davon sprach, dass bald ein ganz Großer nach Bregenz kommen würde. David Pountney inszenierte im Jahr darauf Wagners „Der fliegende Holländer“ auf der Seebühne, Ausstatter war Stefanos Lazaridis, mit dem er später auch Verdis „Nabucco“ und Beethovens „Fidelio“ umsetzte, bevor er von 2004 bis 2014 die künstlerische Leitung der Festspiele übernahm und sich mit einer höchst ungewöhnlichen „Zauberflöte“ auf dem See – ausgestattet von Johan Engels – verabschiedete.    

Mit „Ernani“, im Sommer 1987 im Festspielhaus angesetzt, hatte der damalige Intendant Alfred Wopmann noch nicht das im Programm, was er wollte. Die Umsetzung von Brian Michaels verlief in äußerst konventionellen Bahnen. London blieb aber der Ort, an dem Wopmann seine Künstlerinnen und Künstler fand, mit denen er das Festival reformierte.  Im Jahr 1990 inszenierte Tim Albery „La Wally“ von Catalani, ein Jahr später setzte jener Richard Jones die Oper „Mazeppa“ von Tschaikowsky um, der später gemeinsam mit Antony McDonald für die Seebühnenproduktionen „Ein Maskenball“ und „La Bohéme“ engagiert wurde. Das aus dem See ragende Skelett als Bühnenbildteil für die Verdi-Oper bescherte dem Unternehmen eine Auszeichnung, wer sich die Bistrotische imaginiert, die für das Werk von Puccini auf den See kamen, erinnert sich auch an ein schwimmendes Papierschiffchen. Ein solches kommt auch bei „Madama Butterfly“ zum Einsatz. Das Bühnenbild, das Michael Levine für die Inszenierung von Andreas Homoki entwarf, wurde vor wenigen Wochen mit einem Opera Award gewürdigt, für die Kostüme kam ein Künstler der Wopmann-Ära zurück nach Bregenz – nämlich Antony McDonald. „Wenn schon ,Butterfly‘ auf dem See, dann wahrscheinlich wirklich so“, betitelte ich meine Rezension in den VN.

Enorme Relevanz

Zurück zu „Ernani“: Wenn das Werk nun im Sommer 2023 neben der Wiederaufnahme von „Madama Butterfly“ auf dem See ins Festspielhaus kommt, dürfte wohl niemand danach fragen, ob den Festspielen das Repertoire ausgeht. Lotte de Beer, mittlerweile Intendantin der Wiener Volksoper, inszeniert das Stück, das auf einem Drama von Victor Hugo basiert und von den katastrophalen Folgen erbärmlicher Männerehre handelt. Festspielintendantin Elisabeth Sobotka ergänzt es mit „The Faggots and Their Friends Between Revolutions“ von Philip Venables und bietet damit ein Projekt von enormer Relevanz. Der Stoff stammt aus dem Roman von Larry Mitchell, der aufzeigt, was Diversität heißt und wie weit unsere Gesellschaft davon entfernt ist. 

Mit „Die gefesselte Phantasie“ von Ferdinand Raimund, inszeniert von Herbert Fritsch, bringt das Burgtheater zwar eine Produktion nach Bregenz, deren Premiere bereits zuvor in Wien stattfindet, aber immerhin, wer von Bregenz aus schon vor zwanzig, dreißig Jahren auch immer wieder nach Berlin blickte (was die Wiener Programmmacher lange vermieden haben), weiß, dass Regisseur Herbert Fritsch dort schon vor Jahrzehnten Erfolge feierte. Mit „Der zerbrochne Krug“ von Heinrich von Kleist bringt das Deutsche Theater Berlin im Sommer 2023 nach einigen Premieren nun kein neues Stück nach Bregenz, aber das Thema der Komödie – die Macht des Patriarchats – ist gut gesetzt. Außerdem tritt Ulrich Matthes noch mit Kleists „Das Erdbeben in Chili“ auf. Und mit „Die Judith von Shimoda“ von Panisello erweitern die Bregenzer Festspiele 2023 ihren thematischen Schwerpunkt. Hierbei handelt es sich um ein Auftragswerk des Vorarlberger Kulturunternehmens und der Neuen Oper Wien, mit dem Elisabeth Sobotka wiederum die enorme Bandbreite der Bregenzer Festspiele dokumentiert.

Übrigens: Mit Jana Vetten inszeniert jene Künstlerin Massenets „Werther“ im Opernstudio, die im Vorjahr „Lohn der Nacht“ von Bernhard Studlar umgesetzt hatte.

Christa Dietrich

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