Schön, schmerzhaft und vor allem relevant: Arbeiten von Monira Al Qadiri im Kunsthaus Bregenz

Schön, schmerzhaft und vor allem relevant: Arbeiten von Monira Al Qadiri im Kunsthaus Bregenz

Sich auf weltweit bedeutenden Ausstellungen wie der Biennale in Venedig umzusehen, lohnt sich nicht nur im Hinblick auf das Abchecken neuer künstlerischer Positionen. Wer das Programm des seit mehr als 25 Jahren bestehenden Kunsthaus Bregenz beobachtet hat, erfährt von Korrelationen. Einmal – wie etwa im Vorjahr mit Jakob Lena Knebel und Ashley Hans Scheirl  oder Raphaela Vogel – waren Künstlerinnen und Künstler kurze Zeit zuvor mit Werken in Bregenz präsent, mitunter fallen Installationen und Projekte von Künstlern oder Künstlerinnen ins Auge, die ein oder zwei Jahre später das Kunsthaus am Vorarlberger Bodenseeufer bespielen. So wie nun Monira Al Qadiri. In Dakar im Jahr 1983 geboren, in Kuwait aufgewachsen, in Tokyo ausgebildet und in Berlin lebend, wurde die Künstlerin für die von Cecilia Alemani kuratierte zentrale Themenausstellung im Vorjahr nach Venedig geladen. Wie große, buntglitzernde Schmuckstücke drehten sich ihre Bohrköpfen nachempfundenen Skulpturen auf dem Gelände des Arsenale. In etwas größerer Ausführung findet man sie nun im ersten Obergeschoss des KUB. Das Thema ist festgelegt: Es geht um Erdöl. 

Mag der Anblick der Werke – etwa auch jener aufblasbaren Skulpturen, die sich auf die Molekularstruktur von Benzol beziehen -, noch so faszinierend sein, so steht nicht der Nutzen dieses Bodenschatzes im Fokus, sondern der Schaden, den die Förderung eines Stoffes verursacht, der unseren Alltag durchdringt. 

Wer bei Erkundungsreisen das Haus der Kunst in München auf der Adressenliste hat, ist noch besser auf das aktuelle Projekt „Mutant Passages“ in Bregenz vorbereitet. Ihre aus Glasskulpturen bestehende Arbeit für München basierte auf Meteoritenteile, die in der Wüste im Oman zu finden sind und hier zu Erzählern ihrer Reise vom All auf der Erde wurden.

Zensur, Propaganda und Verdrängung

So wie diese Arbeit Assoziationen über den Ursprung der Erde hervorriefen, verbindet jene in Bregenz Geschichte und Gegenwart, Schönheit und Zerstörung. Die Entstehung fossiler Bodenschätze berührt das ewige Thema vom Werden und Vergehen, das Künstlerinnen und Künstler seit jeher aufgreifen. Monira Al Qadiri verweist auf die vielschichtige politische Dimension der Erdölgewinnung, wenn sie in ihren Arbeiten gesellschaftliche Umstrukturierungen sowie Zerstörung und Schrecken des Krieges verdichtet. Es ist nicht die Verklärung der Arbeit der einstigen Perlentaucher in Kuwait, an die sie mit den glänzenden Oberflächen ihrer Skulpturen erinnert, aber es ist ein Verweis auf das was verloren ging. Wenn im Obergeschoss zwei einer Meeresschneckenart nachempfundene Skulpturen miteinander im androgynen Sprachduktus kommunizieren, so wird hier eine Botschaft über ein eindrückliches, theatrales Bild transportiert. Verunreinigungen, die durch die Imprägnierung von Öltankern verursacht werden, erzeugen bei Meeresschneckenarten eine Geschlechtsumwandlung, die wiederum zum Aussterben jener Lebewesen führt, die eine wichtige Funktion für das Ökosystem innehaben. Der eigens hergestellte milchweiße Boden im obersten Stockwerk ist mit schwarzen Vögeln, ölverschmierten Tierkadavern aus Glas übersät. Im Nachhinein betrachtet, hätte diese Installation auch hervorragend nach Venedig gepasst. 

Gut, dass sie in Bregenz realisiert werden konnte. Die Architektur des Kunsthauses bietet dafür einen idealen Rahmen. Man mag ihn nicht unbedingt kontemplativ nennen, die Ermöglichung eines konzentrierten Betrachtens hat die kuratorische Arbeit in diesem Haus aber immer schon ausgezeichnet. Das gilt in diesem Fall auch für die Reflexion über Zensur, Propaganda und Verdrängung. Während man sich in Kuwait schon mit der Nennung der mit dem Erdöl verbundenen Katastrophen und Gefahren in Schwierigkeiten bringen konnte, zeigt sich in Europa eine Wohlstandsverwahrlosung bzw. ein Unwille jene Komfortzonen zu verlassen für die Ressourcen verschwendet wurden und werden. Ein Grund, warum Ölunternehmen auch in den aktuell inflationären Zeiten enorme Gewinne machen.

Geöffnet bis 2. Juli im Kunsthaus Bregenz.

Christa Dietrich

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