Theater Mutante schafft eine inspirierende Auseinandersetzung mit dem Abnabeln und Abschiednehmen

Theater Mutante schafft eine inspirierende Auseinandersetzung mit dem Abnabeln und Abschiednehmen

„Eine Meditation über das Ende der Welt“ lautet der Untertitel von „Terrarium“, dem neuen Stück des Theaters Mutante. Was der in Lochau wohnende Ensembleleiter Andreas Jähnert dieses Mal produziert hat, führt zumindest gedanklich zwar einmal ans spanische Kap Finisterre, lässt beruhigenderweise dann aber doch die Erkenntnis von Aristoteles gelten, nach der die Erde eine Kugel ohne Endpunkt ist. 

Beunruhigend bleibt, dass das Leben des einzelnen Individuums nur eine kurze Zeitspanne umfasst. Zum Erwachsenwerden zählt die Auseinandersetzung mit der Endlichkeit. Paradoxerweise ist das Erleben unendlicher Freiheit, sind diese kurzen Momente, die uns vor allem in der Kindheit und Jugend beschert sind, dazu durchaus dienlich. Der erste bewusste Blick übers Meer, ein abenteuerlicher Trip mit dem Bruder, weit weg sein von zu Hause ….

Sentimentalität als positive Stimulanz

Das Zulassen von Sentimentalität als positive Stimulanz ist ein gut aufgefangener Aspekt in „Terrarium“, der Gefahr dabei ins Triviale abszudriften, ist sich Jähnert, der gemeinsam mit Regisseurin Bernadette Heidegger den Text und das Konzept erstellte, bewusst. Das Mischverhältnis passt: Ein Werk aus dem Volksliedkanon, Schlager von Udo Jürgens, Hubert von Goisern und Vicky Leandros vermischt mit ein wenig Grunge sind Einsprengsel in einer Erzählung vom Abnabeln und Abschiednehmen. 

Mit jungen Leuten, die unbedarft in die Welt hinaus reisen und die Zeit als Gelegenheitsarbeiter als großes Abenteuer empfinden, mit dem Opa, für den sich die Welt zu verschleiern beginnt, mit dem plötzlichen Tod der Oma schafft das Autorenteam berührende Bilder. So wie der Musiker Chris Laine bei allem Schmelz sehr konzentriert nie in die Parodie rutscht, wagen sie sich dabei geschickt an die Grenze zum Rührstück ohne diese zu überschreiten. Das ist verdammt gut gemacht und so wird die konkrete Aufforderung zur Auseinandersetzung mit Fakten nicht allzu agitatorisch. Pflegenotstand, Ausbeutung von Betreuern aus dem Ausland, schmerzhafte Einsamkeit, Möglichkeiten zum selbstbestimmten Ende – die Themen sind relevant und bekannt, mit der Art der Konfrontation hat das Theater Mutante somit eine anziehende Produktion im Repertoire. Das Publikum am Aufführungsort – der Alten Turnhalle in Lochau – bestätigt es.

Übrigens: Der Kontrast zwischen dem mit Verve als Performer und Erzähler agierenden Andreas Jähnert und seinen leisen, aber bestimmten Stichwortgebern Margit Müller-Schwab und Srour Hassan ergibt ein klug konstruiertes Gesamtbild. Wie immer man den Begriff „Meditation“ im Untertitel verstehen sollte – ich habe die Halle inspiriert, informiert und auch gut unterhalten verlassen. 

Zudem: Der unerlässliche Erhalt der Vielfalt der Theaterszene in Vorarlberg sowie die notwendige Positionierung des Landestheaters neben weiteren Berufstheatern und Initiativen ist längst eine Diskussion wert.

Fotos: Theater Mutante/Marcel Hagen

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