Es ist, wie es ist: “Die Wut, die bleibt”, Feminismus und eine besondere Begegnung in Salzburg

Es ist, wie es ist: “Die Wut, die bleibt”, Feminismus und eine besondere Begegnung in Salzburg

Ich habe in den letzten 30 Jahren zahlreiche Inszenierungen von Christoph Marthaler in der Ausstattung von Anna Viebrock erlebt bzw. mir erarbeitet und kann ihre in diesem Sommer realisierte „Falstaff“-Sicht vielleicht auch deshalb nachvollziehen. Abseits der Hysterie im Opernbetrieb, die sich in Salzburg vor allem aufgrund dieser Produktion zeigte, über die man sich wohl auch deshalb ereiferte, weil Falstaff einmal nicht dickbäuchig Klischees erfüllte und man etwas Hirnschmalz aufwenden musste, um den Opernplot und die dazugedichtete Rahmenhandlung in einem Filmset auf die Reihe zu kriegen, bieten sich im Rahmen der Festspiele auch immer wieder interessante Begegnungen. Nein, es handelt sich dabei nicht um ein Gespräch darüber, dass es an sich die Orchesterleistung in der erwähnten Verdi-Produktion war, die nicht dem hohen Niveau dieses Festivals entsprach, sondern um die Uraufführung von „Die Wut, die bleibt“ von Mareike Fallwickl. 

Im Hotel kam eine ältere Dame auf mich zu, erkundigte sich ernsthaft – nicht smalltalkartig – nach meinem Eindrücken und verriet mir nicht nur, dass sie die Autorin, gebürtig in Hallein, gut kennt, sondern auch, dass sich einige Männer in der Umgebung seit der Veröffentlichung des Romans und vor allem jetzt zur Familie „sehr distanziert“ verhalten. Ich ersuchte die Dame, Mareike Fallwickl auszurichten, dass sie die Eingeschnapptheit einiger männlicher Zeitgenossen hoffentlich kalt lässt, was kann einer Autorin schon Besseres passieren als die Uraufführung eines eigenen Textes bei den Salzburger Festspielen. Dazu noch von einem mit besonderer Relevanz. 

„Die Wut, die bleibt“ handelt davon, was Frauen und vor allem Müttern selbstverständlich aufgebürdet wird und von einer Gesellschaft, in der es sich Männer gemütlich einrichten konnten. Deren Verweigerung von Care-Arbeit wird nämlich akzeptiert. Liest sich etwas banal und einfach, ist aber so und wird im Roman subtil aufgezeigt. Sarah, die Freundin einer Mutter, die sich das Leben genommen hat, schlittert nach und nach in ein Rollenmuster, das den sie umgebenden Männern – darunter auch der Witwer – weiterhin Bequemlichkeit garantiert. Dass sie bald wahrnimmt, wer die Profiteure ihrer Entscheidungen sind, dass eine Frauengeneration heranwächst, die solche Mechanismen hinterfragt und sich wehrt, davon handelt das Stück. 

Regisseurin Jorinde Dröse, die an der Erarbeitung der Bühnenfassung beteiligt war, hat erst gar nicht versucht, das Plakative in dieser Darlegung realer Verhältnisse zu vernebeln. Wozu auch? Kurz zusammengefasst: Notwendige Veränderungen und gesellschaftliche Entwicklungen bewusst zu machen, ist ein Aspekt, der auf Theaterbühnen dann nicht verstimmt, wenn die Dialoge intellektuellen Ansprüchen genügt und das Spiel feingliedrig aus der jeweiligen Situation und den Empfindungen heraus entwickelt wird. Ja, Authentizität kann ein Qualitätskriterium sein und Klischees stören dann nicht, wenn sie nichts anderes als den Alltag widerspiegeln.

Die Salzburger Festspiele haben „Die Wut, die bleibt“ in Koproduktion mit dem Schauspiel Hannover realisiert, wo das Stück ab 10. September auf dem Spielplan steht. 

Inszenierungen an anderen Bühnen folgen mit Sicherheit.

Christa Dietrich 

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