Wie Richard Wagner zum Philosophicum Lech kommt und welche Hoffnung skrupellos ist
Mit dem „Fliegenden Holländer“ von Richard Wagner beim Philosophicum in Lech, das am 21. September offiziell eröffnet wird und bis 24. September stattfindet, konfrontiert zu werden, war nicht unbedingt zu erwarten. Am philosophisch-literarischen Vorabend, den Konrad Paul Liessmann und Michael Köhlmeier seit Jahren gestalten, erwies es sich als schlüssig. Der Mechanismus ist bekannt: Der Philosoph und wissenschaftliche Leiter der Tagung kommentiert Erzählungen und Nacherzählungen des renommierten Schriftstellers, der – wie es viele kennen – in einzigartiger Weise aus der antiken Mythologie, dem Bereich der Sagen und Märchen oder aus biblischen Stoffen schöpft. Abgesehen davon, dass man an einem Abend unter dem Titel „Die Büchse der Pandora“ von Konrad Paul Liessmann so interessante Zitate vernehmen kann wie „Revolution ist das Programm von Andreas Babler“, blieb die österreichische Politik – Babler ist Bundesparteivorsitzender der SPÖ – vorerst außen vor. Das Fazit Liessmanns betrifft alle: Prometheus müsste heute zähneknirschend zugeben, dass Zeus recht gehabt hat, die Gattung Mensch habe keine Lizenz zu existieren, weil sie verantwortungslos mit dem Feuer umgegangen ist. Es wäre an der Zeit, die Büchse der Pandora (in der sich neben allen Übeln und Lastern auch die Hoffnung befindet) noch einmal zu öffnen, um darauf zu hoffen, dass sich die Dinge bessern.
(Übrigens: Wer weder Zeit noch Mittel hat, um nach Lech zu kommen, kann die nun zu erwartende Erörterung dieses Themas durch die Referentinnen und Referenten in der in wenigen Monaten im Verlag Zsolnay erscheinenden Philosophicum-Publikation nachlesen.)
Es geht auch anders
Und nun zu Richard Wagner: Michael Köhlmeiers spannend formulierte Erzählung vom verwegenen Seefahrer Bernhard Focke, der sich nach dem Bezwingen eines Sturms am Kap der Guten Hoffnung quasi selbst dazu verdammt hat, fortwährend auf den Meeren zu segeln, führt unweigerlich zum „Fliegenden Holländer“. Bei Wagner findet er Erlösung durch eine Frau, die sich – allerdings verschachert vom geldgierigen Vater Daland – für ihn opfert. Die Hoffnung auf die Wagner in diesem Werk setzt, sei skrupellos, erklärte der sich als Wagnerianer outende Konrad Paul Liessmann. Ja, das ist sie.
Ich erwähne es in diesem Zusammenhang allerdings gerne, dass es ausgerechnet Katharina Wagner, Intendantin der vom Komponisten gegründeten Festspiele in Bayreuth, war, die mit Dmitri Tcherniakov einen Regisseur engagierte, der das fragwürdige Rollenmuster von Wagners Frauenfiguren schlicht und einfach durchbrach: In seiner Inszenierung wird der Holländer am Ende von Mary, Sentas Amme (oder hier Stiefmutter) erschossen, Senta bleibt am Leben – basta. Geht sich musikalisch aus. Ich habe mir die 2021 erstmals gezeigte Produktion heuer eigens auch darum noch einmal angeschaut, weil ich die Leistung der Dirigentin Oksana Lyniv erneut erleben wollte. 2021 wurden die Chöre – aufgrund von Auflagen in der Pandemie-Zeit – von außen zugespielt. Lyniv hatte das ebenso begeisternd bewältigt, wie nun die Koordinierung des riesigen Stimmapparats auf der Bühne mit dem Orchester.
Christa Dietrich
Mit dem Programm treten Konrad Paul Liessmann und Michael Köhlmeier im Anschluss an das Philosophicum am 24. September, 19 Uhr, im Theater Kosmos in Bregenz auf.