Strikt und wirkungsvoll: aktionstheater ensemble zur politischen Lage in Österreich
„All about me“ wurde Mitte Mai vom aktionstheater ensemble in Bregenz uraufgeführt. Meine Rezension erhielt die Austria Presse Agentur (APA). Nun starten die Wiener Aufführungen im Werk X. Hier eine Zusammenfassung des Berichtes über dieses Hinterfragen einer Theaterarbeit, die erneut die politische Lage bzw. die demokratiegefährdenden Tendenzen in Österreich fokussiert. Und zwar konsequent, strikt, witzig, schonungslos, aber – wow – nicht resignativ.
Jenen, die das Kornmarkttheater gleich nach dem Schlussapplaus und dem Jubel für die Mitwirkenden verlassen haben, entging übrigens die besondere Zugabe. Andreas Erdmann, Chefdramaturg am Linzer Landestheater, hielt auf offener Bühne nicht nur eine Laudatio anlässlich des 35-Jahr-Jubiläums der Gruppierung, er verdeutlichte dabei auch die Mechanismen der Verzahnung von Realität und Fiktion, die das aktionstheater ensemble derart perfektioniert hat, dass diese bereits in zahlreichen seiner Stücke Anwendung finden ohne dabei auszuleiern. Wer die Produktionen der letzten zwei Jahrzehnte kennt, der weiß, dass die Stückfiguren jeweils die Namen der Agierenden tragen und dass der im Kollektiv entstandene Text so verfasst ist, als ob diese aus ihrem Alltag erzählen.
Das geschieht auch in „All about me“. Das Stück gibt das Aufzeigen von Stärken oder Schwächen eines Menschen schon im Titel vor. „Kein Leben nach mir“, der Untertitel, könnte den eitlen Aspekt einer Selbstreflexion thematisieren, den das aktionstheater beim Fragen nach dem Sinn seiner Arbeit allerdings nicht zulässt. Benjamin Vanyeks Satz „Es vermisst uns ja auch niemand hier am Theater“ leuchtet in kindlicher Naivität von der Bühne und rote Clownsnasen vertreiben jede Spur von Larmoyanz. Ausstatterin Valerie Lutz hat den Arbeiteroveralls sowie der Bühnenschräge Grauschattierungen verpasst, die sich in der Videoprojektion von Resa Lut fortsetzen, die sich vom Bühnenhintergrund aus bis über die gesamten Seitenwände zieht. Wir sitzen mitten in diesem Wolkengrau, manchmal regnet es und ja, es ist zum Kotzen. Tamara Stern verdeutlich es rundheraus.
Der Text, den die Bewegungschoreografie ergänzt, überhöht oder konterkariert, ist nur eine Ebene der Produktion. Die Musik, live gespielt, gönnt dem Publikum Atempausen wie sie nach Kabarettpointen üblich sind, wobei keine Gefahr besteht, dass „All about me“ auch inhaltlich in dieses Genre kippt. Das ist gut belegt, denn dass es möglich ist, die Namen der Mitglieder des deutsch-österreichischen Geldadels einzubauen, also Unternehmer, Banker, Aufsichtsräte und Großaktionäre konkret zu benennen ohne bei dieser Bestandsaufnahme der Unrechtsverhältnisse in eine platte Klage abzudriften, das mache Andreas Jähnert erst einmal jemand nach.
Eingebettet in zahlreiche kurze Szenen, in denen Tamara Stern, Kirstin Schwab und Isabella Jeschke mit feiner Ironie ihre Unangepasstheit bezüglich immer noch vorhandener Rollenerwartungen formulieren, verkommt auch der Verweis auf den Nazi-Propagandafilm „Heimkehr“ nicht zur allzu einfachen Erläuterung des Begriffs Chauvinismus.
Da „nicht weniger als die Demokratie in Gefahr ist“, so seine Charakterisierung der momentanen Lage, gelte es zu verdeutlichen, „dass das Aushalten von Konflikten Grundlage der Demokratie ist“, erklärte Martin Gruber in einem Gespräch, das ich mit ihm für die APA führte. „Was könnt ihr für den, der hier regiert oder den, der um Gottes willen regieren wird oder hinter irgendeiner Marionette regieren wird“, ruft Tamara Stern. „Wenn er gewählt wird“, sagt Thomas Kolle.
Mit dem Song „And I know: the future is already gone . . .“ aus den vor drei Jahren präsentierten „Lonely Ballads“ zu Pandemieerfahrungen ging das Stück zu Ende. Auch die Auseinandersetzung mit Textpassagen aus älteren Produktionen erweist sich als frei von Patina und beweist somit erneut die Kraft der aktionstheater-Arbeit.