So kommt Steinbecks Klassiker “Von Mäusen und Menschen” heute zur Wirkung

So kommt Steinbecks Klassiker “Von Mäusen und Menschen” heute zur Wirkung

Ein eigenes kleines Häuschen, ein Gemüsegarten, Obstbäume, ein paar Hühner und Kaninchen, vielleicht eine Kuh – das verbinden George und Lennie bereits mit „einem Leben in Saus und Braus“. Die beiden sind die Hauptfiguren in John Steinbecks Roman „Of Mice and Men“. Sie ziehen als Farmarbeiter übers Land, sind froh über jede Arbeitsstelle, an der es eine Mahlzeit gibt und der Lohn ausreichend ist, um vielleicht etwas zur Seite legen zu können, damit sich ihr Traum irgendwann erfüllt. Noch haben sie gar nichts. Nur einander. 

Der behinderte Lennie wäre ohne die Fürsorge von George völlig aufgeschmissen und George erfährt durch Lennie jene Empathie, die in seinem Umfeld fehlt, in dem die ungerechte Verteilung der Güter die Menschen hart gemacht hat, Ausbeuterei verbreitet ist und christliche Werte zwar irgendwo gepredigt, aber nahezu nirgendwo gelebt werden.

Steinbecks Roman wurde bald nach seinem Erscheinen im Jahr 1937 verfilmt, weitere Adaptierungen folgten. In den 1960er-Jahren schuf Carlisle Floyd nach der Textvorlage eine Oper, die vor gut zwanzig Jahren auch im Rahmen der Bregenzer Festspiele inszeniert wurde. Dem Publikum der Region hat sich aber wohl jene Inszenierung des Theaters für Vorarlberg (dem Vorgänger des Landestheaters) eingeprägt, in der Günter Baumann (George) und Klaus Schöch (Lennie) jenes Band intensiv fassbar machten, das die beiden Männer verbindet. In letzter Konsequenz führt es dazu, dass es George schafft, seinen Freund zum Träumen von der schönen Zukunft aufzufordern und rasch mit einem Kopfschuss zu töten, um ihn vor der Lynchjustiz einer aufgebrachten Meute zu retten. Lennie, der so gerne etwas Weiches in den Händen hält oder liebkost, kann seine Kraft nicht dosieren. Mäuse oder einen Welpen hatte er völlig unabsichtlich zerdrückt, bei der Begegnung mit der jungen Frau eines Farmers kommt es zur Katastrophe.

Zwei Hauptfiguren

Am Vorarlberger Landestheater hat Regisseurin Agnes Kitzler die Besetzung der Produktion nun gemeinsam mit dem Dramaturgen Elias Lepper auf die zwei Hauptfiguren reduziert. Für den Part der jungen Frau kommt eine Puppe zum Einsatz. Ihre Sprechpassagen sowie die zwar sehr gekürzten, aber auch in dieser Fassung notwendigen Partien weiterer Figuren übernehmen die Protagonisten.

Das ist eine enorme Auflage, aber es funktioniert in der Abstraktion, die Ausstatterin Marina Deronja auch dem Bühnenbild angedeihen ließ. Ein riesiges Hamsterrad verdeutlicht die prekäre Situation der Arbeiter, eine überdimensionierte Plüschkarotte Lennies Bedürfnis nach Umarmungen sowie den Traum. Mit „Something that happend“ wollte Steinbeck seinen Roman ursprünglich betiteln. Die Wörter prangen über der Bühne, spannen in Leuchtschrift den Bogen von damals ins Heute. 

Zutiefst berührend

Arbeiterlöhne, die nicht den Lebenskosten entsprechen, dieses soziale Problem ist auch in Westeuropa nicht gelöst. 

Durch das wiederholte Erzählen des Traumes der beiden Arbeiter wird es präsent. Gerade weil auch David Kopp als George, dem die Verhältnisse klar sein müssen, dabei so ohne Bitterkeit spricht, berührt die Thematik zutiefst. Nico Raschner spielt Lennie mit hoher Sensibilität und mit einer Direktheit, die seine Unvoreingenommenheit klar verdeutlicht. In dieser gestrafften Version besteht für die beiden Schauspieler kaum die Möglichkeit, Emotionalität aufzubauen. Sie ist hier unverzüglich zu vermitteln. David Kopp und Nico Raschner lassen sie stets leise leuchten. So kommt„Von Mäusen und Menschen“, der Klassiker von John Steinbeck, heute zur Wirkung.

Christa Dietrich

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