Ohnegleichen: Zum Auftakt des Festivals Bregenzer Frühling

Ohnegleichen: Zum Auftakt des Festivals Bregenzer Frühling

Dass ein Festival, das einst mit einem „Schwanensee“-Gastspiel des Kirow-Theaters aus St. Petersburg (damals noch Leningrad) gestartet wurde, in nur wenigen Jahren einen Imagewandel zum zeitgenössischen Tanz vollzieht und sich seit dem Frühjahr 1988 auch noch als Publikumsmagnet hält, ist etwas Besonderes. Zumal in einer Region, in der sich das Kulturangebot in dieser Zeit zwar enorm erweitert hat, in der abgesehen von der Bevölkerungsagglomeration im Rheintal die ersten größeren Städte mit vielfältigen universitären Einrichtungen aber 130 bis 200 Kilometer entfernt sind. 

War das Programm im Vorjahr nach einem großartigen Auftakt mit dem LINES Ballet von Alonzo King noch von der Pandemie beeinträchtigt, so sollte heuer alles gut gehen. Der nun erfolgte Start mit dem Théâtre National de Bretagne und dem Stück „Vessel“ von Damien Jalet und Kohei Nawa dokumentiert bereits, dass es dem verantwortlichen Bregenzer Kulturservice gelingt, Compagnien ausfindig zu machen, die im internationalen Vergleich innovativ arbeiten. 

So gesehen ist es auch völlig egal, dass „Vessel“ schon einige Jahre auf dem Buckel hatte, bevor es nun erstmals in Österreich gezeigt wurde. Ein solches Projekt kann mit voller Berechtigung als einzigartig bezeichnet werden. Darin war sich auch das Publikum einig, das diese Verflechtung von Tanz, bildender Kunst und Musik heftig akklamierte.

Der Choreograph von Madonna

Zu den Werkserien des japanischen Künstlers Kohei Nawa, der unter anderem im Pariser Louvre ausstellte, zählen Skulpturen, die nach Material aus fernen Planeten anmuten, das sich zu amorphen Formen zusammenfügt, aus denen sich vereinzelt aber auch Menschen oder Tiere schälen. Für den belgisch-französischen Choreographen Damien Jalet, der übrigens auch mit Madonna arbeitete, schuf er eine Art Urlandschaft, ein Keimboden, der Titelgebung nach ein Becher, aus dem Wesen sprießen, die mit ihm in symbiotischer Verbindung bleiben. Schöpfungsmythos, Metamorphosen, Evolution – viele Assoziationen sind möglich während die Körper der Tänzer ineinander verschmelzen, mit einzelnen Muskeln oder Körperteilen immer wieder neue Formen hervorbringen und damit ein einprägend ästhetisches Erlebnis bieten, das sich jeder Einordnung entzieht. Der Eindruck, dass sich eine Entwicklung vollzogen hat, wenn am Ende dann doch eine Figur mit Gesicht wahrzunehmen ist, verflüchtigt sich rasch. So einfach macht es einem Damien Jalet nicht. 

Fasziniert von der Körperbeherrschung und Ausdrucksfähigkeit der Tänzerinnen und Tänzer stellen sich Daseinsfragen, ganz subtil und entsprechend untermalt von Musik von Marihiko Hara und Ryuichi Sakamoto.

Christa Dietrich

Am 18. März folgt erneut eine österreichische Erstaufführung mit „Seises“ von Israel Galván.

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