Auf die Kraft ihrer Kunst vertraut: Österreichische Erstaufführung von „alle tiere rufen“ von Thomas Köck beim Ensemble Unpop

Auf die Kraft ihrer Kunst vertraut: Österreichische Erstaufführung von „alle tiere rufen“ von Thomas Köck beim Ensemble Unpop

Bis zur Zeit der ersten Aufzeichnungen davon, was Menschen von sich geben, können wir Bußpredigten nachverfolgen. Wer den Heraufbeschwörern einer nahenden Zerstörung des Planeten noch etwas hinzufügen und dabei intellektuell reüssieren will, der muss sehr viel draufhaben. Der oberösterreichische Autor und Dramatiker Thomas Köck zählt zu diesen Personen.

Im Jahr 2016 hat ihm die Österreichische Theaterallianz, zu der auch das Bregenzer Theater Kosmos zählt, ihren Dramatikerpreis verliehen. Damals holte man sich den ersten Teil der Kronlandsaga als Gastspiel des Schauspielhauses Wien ins Land. Das Ensemble für unpopuläre Freizeitgestaltung (kurz: Unpop) legte ein paar Jahre später eine die politischen Spitzen gut herausgearbeitete Inszenierung von „dritte republik – eine vermessung“ hin, ließ im Vorjahr „antigone. ein requiem“ folgen und hat nun „und alle tiere rufen: dieser Titel rettet die Welt auch nicht mehr“ im Programm. Während man dieses „requiemmanifesto of extinction“ anderswo (etwa unter Regisseurin Marie Bues) mehreren Akteuren anvertraute, setzten Regisseur Stephan Kasimir und Bühnenbildnerin Caro Stark, die beiden Unpop-Leiter, auf eine leicht gestrichene Fassung und den Schauspieler Felix Römer. Den Künstler engagieren zu können, der an der Berliner Schaubühne unter anderem mit dem aus Bregenz stammenden Regisseur Philipp Preuss Thomas Bernhards „Kalkwerk“ zu einem derart intensiven Ereignis werden ließ, dass es sich nahezu ein Jahrzehnt im Spielplan hielt – auch das zeichnet das junge Ensemble Unpop aus.

Sehr gut gerundetes atmosphärisches Konzept

Wer die Aufführung dieses Stücks am Schauspielhaus Graz gesehen hatte, sollte an der Kategorisierung der Dornbirner Produktion als Österreich-Premiere im Übrigen nicht zweifeln, die Grazer holten sich damals ein Gastspiel aus Weimar. Abgesehen davon ist bei Unpop ein völlig anderer Zugang zu erleben. Nachdem man bereits erfahren hatte, wie gut sich die Hinterbühne des großen Kulturhauses für Theaterproduktionen eignet, legt Caro Stark beim Setting für „und alle tiere rufen“ nun noch eins drauf. Die Bühnenrückwand bleibt hochgefahren und gibt den Blick in den breiten Hauptsaal frei. Die unbesetzten Stuhlreihen mögen in diesem schummrigen Licht als Metapher für die ausgestorbenen Arten gelten, von denen hier die Rede ist, sie dienen aber vor allem dem atmosphärischen Konzept. Die Künstlerin rundet es derart gut, dass der Einsatz von Bühnennebel nicht mehr störend und ein oft zu sehendes Wasserbecken nicht ausgelaugt wirkt, sondern mit dem komplexen Lichtkonzept von Othmar Gerster kosmische Weiten assoziieren lässt. Selbstverständlich pathosfrei.

Science-Fiction für Fortgeschrittene

Im Rahmen dieses nahezu filmischen Entwurfs findet Felix Römer sein ideales Auftrittspodium. Die Rede von einer Wirtschaftsordnung, die das Leben auf der Erde zerstört und damit auch die Menschen, die ihr die Zeit opfern, wird bei ihm keine Sekunde zur moralinsauren Klage. In der Regie von Stephan Kasimir erfährt zudem die Perspektive Nachdruck. Das Anthropozän scheint schon beendet. Science-Fiction für Fortgeschrittene, Ironie, Sarkasmus und mittendrin viel Wahrheitsgehalt. „Das hier will kein Abbild sein des menschlichen Untergangs“, heißt es. Ermüdend wäre dies bei weniger Aufmerksamkeit für den schwingenden Text, der auch auf jenes leuchtet, das gar keine Chance auf Existenz hatte.

Knöcheltief im Wasser stehend spricht Römer von der „orchestralen Erinnerung“ an ausgestorbene oder vom Menschen malträtierte Wesen, von Tieren, deren Lebensraum zerstört wurde, die als Trophäen endeten. Es ist keine Wutrede, Römer arbeitet sich durch Möglichkeiten des Ausdrucks, poltert in vielen Nuancen, mahnt nie, witzelt höchstens manchmal und bewahrt den Text durch kluge Betonung von jenem banalen Touch, der ihm droht, wenn Gewalt und Fortschritt als „größte aller menschlichen Lobbys“ am Pranger stehen. 

Die Musik, nach der er ruft, bietet die weit weg im Hauptsaal postierte Band mit dem bezeichnenden Titel „The Ghosts Of Anthropocene“ mit Paul Winter, Marcello Girardelli und Martin Grabher samt dem geforderten „Monkey Gone To Heaven“ von den Pixies ohne einlullendem Gestus. 

Dem kathartischen Aspekt durch die Strichfassung weniger Aufmerksamkeit zu schenken, stellt sich als richtig heraus. Mit der Aufzählung des nicht mehr existierenden Atlasbären, des Glanzbaumsteigers, der Goldkröte etc. etc. bleiben die Zuschauer sich selbst überlassen. Die Frage, ob es schon zu spät ist, braucht nicht eigens gestellt zu werden. Das erledigt die Kraft der (und ihrer) Kunst, auf die Stephan Kasimir (Regie), Caro Stark (Ausstattung), Paul Winter (musikalische Leitung) und Othmar Gerster (Licht) mit dem Schauspieler Felix Römer vertrauen konnten. 

Christa Dietrich

Weitere Aufführungen finden am 11. , 16., 17. und 18. März im Dornbirner Kulturhaus statt.

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