Opernatelier der Bregenzer Festspiele: Enormes Publikumsinteresse ist ein Auftrag

Opernatelier der Bregenzer Festspiele: Enormes Publikumsinteresse ist ein Auftrag

Jetzt wissen auch die, die ansonsten nicht auf dem Podium des Bregenzer Festspielhauses Platz nehmen, sondern in den Publikumsreihen, dass es sich auf der Drehbühne ein wenig so anfühlt wie in einem Karussell. Die Besucher der ersten Veranstaltung der Bregenzer Festspiele im neuen Jahr in Bewegung zu versetzen, war sicher nicht die zentrale Absicht beim zweiten Einblick ins Opernatelier, bewegt hatte man das Haus dennoch verlassen. Das lag an Sir David Pountney, der als einstiger Intendant nun in der Funktion des Librettisten auftritt, an der Komponistin Ena Brennan und natürlich an Hugo Canoilas. Der bildende Künstler (geb. 1977) in Lissabon wird jene Oper ausstatten, die Intendantin Elisabeth Sobotka in Auftrag gegeben hat und die im Sommer 2024 im Rahmen der Bregenzer Festspiele zur Uraufführung kommt. 

Die Natur als Inspirationsquelle

Das noch namenlose und auch thematisch noch nicht konkretisierte Werk ist die dritte Produktion im Opernatelier nach „To the Lighthouse“ von Zesses Seglias (uraufgeführt 2017) und „Wind“ von Alexander Moosbrugger (uraufgeführt 2021). Nachdem diesen beiden Produktionen literarische Erzeugnisse wie „Die Fahrt zum Leuchtturm“ von Virginia Woolf und „Hypnerotomachia Poliphili“ von Francesco Colonna zugrunde liegen, hat es momentan den Anschein, dass für die dritte Produktion die Natur bzw. die bildende Kunst die größte Inspirationsquelle darstellt. Nachdem seit dem ersten Einblick vor einem Jahr erst einmal feststeht, wer hier zusammenarbeitet, nämlich Pountney, Brennan und Canoilas, war der zweite Einblickabend vor allem Letzterem gewidmet. Das Engagement Hugo Canoilas erfolgte nach einer Empfehlung von Thomas D. Trummer, Direktor des Kunsthaus Bregenz. Dort waren Arbeiten des portugiesischen Künstlers zwar noch nie zu sehen, große Wirkung erzeugte jedoch seine Ausstellung im Wiener mumok, deren Gestaltung dokumentierte, dass Canoilas gerne auf Flexibilität von Betrachterinnen und Betrachtern setzt und etwa den Boden eines Raumes neben den Wänden als Trägermaterial der Arbeiten verwendet. Das kann man allerdings auch auf seine Affinität zu Meeresbewohnern beziehen, wobei es ihm besonders die Quallen, Neutiloideen und Tintenfische angetan haben. Assoziationen zu dieser Tierart stellen sich beim Betrachten seiner Gemälde ein, auf denen neben Steinformationen Tentakel oder die Symmetrie von Nautilusschalen zu erkennen sind. Eines seiner jüngeren Arbeiten war im Visual Arts Center in Coimbra zu sehen. Dabei handelt es sich um ein 90 Meter langes Gemäldes, das ein Abschreiten der Räume bedingte. Sie sind historisch belastet, denn hier wüteten einst Inquisitoren und hier wurden Juden gefoltert.

Wie sich das nun mit der Musik der experimentierfreudigen belgisch-irischen Komponistin Ina Brennan in Verbindung bringen lässt, ist noch offen. Betonte sie doch, dass das was zu den Bildern von Canoilas zu hören war, nicht unbedingt zur Partitur der entstehenden Oper gehören muss. Angesichts der Präsentation des Gemäldes in der Art sich langsam bewegender Bühnenprospekte wird, wie David Pountney bemerkte, der Aspekt der Zeit deutlich, der eine Rolle spielen soll. Mich hat das an Arbeiten des südamerikanischen Künstlers William Kentridge erinnert, der etwa auch einmal die Oper „Wozzeck“ ausstattete. Wobei Kentridge mit Silhouetten von Figuren arbeitet, während bei Canoilas die Verbindung zu Erscheinungen in der Natur im Mittelpunkt steht – wie faszinierend und facettenreich diese auch immer sind.

Enormes Publikumsinteresse

Im Rahmen des kommenden Festspielsommers wird mehr über die Musik dieses Werks zu erfahren sein. Intendantin Elisabeth Sobotka, die das Opernatelier bei ihrem Antritt in Bregenz eingerichtet hat, kann jedenfalls auf ein enormes Publikumsinteresse bauen, das sich bei diesem, souverän vom Dramaturgen Olaf A. Schmitt moderierten zweiten Einblick in die Entstehung einer Opernproduktion zeigte.

Bevor Sobotka Ende 2024 Bregenz verlässt und ihrer neuen großen Aufgabe nachkommt, nämlich die künstlerische Leitung der Staatsoper in Berlin übernimmt, wäre zu klären, ob das Werk „Wind“ von Alexander Moosbrugger nicht doch noch einmal zur Aufführung kommen kann. Mit der eigens geschaffenen Orgel, aber ohne der von bildender Kunst und Performance-Aspekten überlagerten Inszenierung, die im Sommer 2021 zu sehen war. Eine derartige Dominanz der Optik, die sich im Laufe der durch die Pandemie verlängerten Produktionszeit einstellte, sollte den Bregenzer Festspielen nicht mehr passieren. Ist das Opernatelier doch eine großartige Einrichtung, die neben anderen Programmdetails dokumentiert, dass die pro Saison von etwa 200.000 Besuchern frequentierte Seebühne zwar im Zentrum der Bregenzer Festspiele, steht, dass das Festival jedoch durch eine enorme Vielfalt charakterisiert ist.

Christa Dietrich

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