Sexismus, leise Rebellion und eine Begegnung mit der jungen Schauspielerinnengeneration bei „die teilzeitlosen“ im Theater Kosmos

Sexismus, leise Rebellion und eine Begegnung mit der jungen Schauspielerinnengeneration bei „die teilzeitlosen“ im Theater Kosmos

An einer Ur- und Erstaufführungsbühne, als die sich das Bregenzer Theater Kosmos definiert, sind Spielplanänderungen nichts absolut Außergewöhnliches. Für die beachtenswerte Konsequenz, mit der sich Augustin Jagg und Hubert Dragaschnig – neben nur wenigen Griffen zu Klassikern – seit beinahe drei Jahrzehnten der zeitgenössischen Theaterliteratur widmen, nimmt man in Kauf, dass das mitunter nicht mehr gilt, was man Anfang des Jahres angekündigt hat. Als zweite Produktion im Herbst wollte man im Theater Kosmos jedenfalls das Werk „Die Erwachsenen“ anbieten. Im März nahm die österreichische Autorin Irene Diwiak für ihre Beschäftigung mit einer dysfunktionalen Familie noch den im Rahmen eines Dramenwettbewerbs vergebenen zweiten Preis entgegen. Danach verschwand der Titel zwar aus dem Spielplan, allerdings nicht aus der Vorhabensliste. Info: Die Proben haben soeben begonnen, das Stück wird Anfang nächsten Jahres uraufgeführt.

Derzeit konfrontiert das Theater Kosmos sein Publikum dafür mit einem Werk von Renate Aichinger. Wer schon vor etwa zwei Jahrzehnten im theatertauglichen Alter war, kennt die Autorin noch als Dramaturgin am Vorarlberger Landestheater. Ihr Text mit dem Titel „die teilzeitlosen“ ist im Rahmen des Projekts Drama-Lab entstanden, das Kosmos dahingehend unterstützt, dass hier Aufführungspodien angeboten werden. Eine höchst lobenswerte Initiative, die mit dem Risiko behaftet ist, dass die Erwartungshaltung bei Uraufführungen auf der großen Bühne etwas höher ist als bei einer Präsentation im Kosmodrom, der ausgewiesenen Experimentierbühne. 

Es gibt mehrere Gründe, die für die Produktion „die teilzeitlosen“ sprechen. In ihrer laut Eigendefinition „subjektiven Bestandsaufnahme des weiblichen Rollenmusters unserer Zeit“ thematisiert Renate Aichinger auch wesentliche Problemfelder in der Arbeitswelt. Trendige Begriffe wie Coworking übertünchen oft, dass es sich hier mitunter um Beschäftigungsmodelle mit geringer sozialer Absicherung handelt bzw. um Strukturen, die jene benachteiligen, die Betreuungspflichten haben. Beispielsweise Mütter. Etwas irritierend bleibt, dass sie in ihren abgehackten, mit vielen Wortspielen untermalten Sätzen („burnout, workout, daueralert“) Versäumnisse in der Bildungs- und Arbeitsmarktpolitik kaum andeutet.

War das wirklich so gewollt? Wer den Text liest (bzw. sich mit dieser Textfläche, wie man diese Art des Schreibens nennt, beschäftigt), begegnet von Trends und vom Optimierungswahn überdrehten jungen Frauen, denen die Erdung fehlt. Regisseur Florian von Hörmann überspitzt diesen Effekt noch, steckt seine Schauspielerinnen in Rollschuhe und lässt sie nicht selten falsettieren. Über manches sexistische Posing in den Tanzpassagen könnte man hinweggesehen, wenn die Choreografie etwas mehr Rebellion als die kurze Riot-Szene (gut angepasst von Ausstatterin Nicole Weniger) beinhaltet hätte. Und auch etwas weniger Klischees, denn die Heilige/Hure-Gegenüberstellung ist nun wirklich derart altbacken, dass sie nicht einmal mehr neben den Songs aus den 1980er-Jahren etwas taugt.

So konzentriert man sich auf das Spiel von Tekla Farkas, Malaika Lerner, Lara Pauli, Julia Reisser, Olga Tomkowial und Nele Wirth, Studentinnen der Athanor Akademie. 

Allesamt schaffen sie es, immer wieder etwas Doppelbödigkeit zu vermitteln. Ich habe da einigen Schalk vernommen. So als ob man dem Regisseur eben den Gefallen tut und Figuren mimt, die oberflächlichen Trends hinterherjagen, kaum in der Lage sind, Rollenbilder zu hinterfragen und sich schwer damit tun, sich als Mütter durchzusetzen bzw. Verantwortung zu übernehmen und Selbstbewusstsein zu entwickeln. Dabei dringt durch, dass es wohl allen klar sein dürfte, dass es günstig ist, vor dem Ingangsetzen der Reproduktionsfähigkeit den Verstand zu schulen. So weit, dass man dazu fähig ist, Forderungen an die Partner, die Arbeitgeber, die Politik etc. zu formulieren. 

Vom Stück und der Inszenierung bleibt für das Publikum somit nicht sehr viel hängen, wohl aber vom Engagement der jungen Schauspielerinnen, die wissen dürften, dass gerade auch der Beruf, den sie gewählt haben, ihnen Kraft – auch zur Rebellion – abverlangt, die es sich anzueignen gilt.

Christa Dietrich

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