Das Ensemble dieheroldfliri.at zeigt  mit „Das Rote vom Ei“ worum es bei Debatten um die Fristenregelung oft geht – um den Erhalt männlicher Machtstrukturen

Das Ensemble dieheroldfliri.at zeigt  mit „Das Rote vom Ei“ worum es bei Debatten um die Fristenregelung oft geht – um den Erhalt männlicher Machtstrukturen

Gibt es ein gutes Bühnenprojekt zum Thema Schwangerschaftsabbruch nach zahlreichen, auch sehr guten Filmen, umfangreicher Literatur, einem Museum für Verhütung und Schwangerschaftsabbruch in Wien und beispielsweise nach dem Drama „Memmingen, ein Theaterstück“ von Bettina Fless? Ja, das gibt es, es ist notwendig, es trägt den Titel „Das Rote vom Ei“ und wurde vom Ensemble dieheroldfliri.at produziert. 

Premiere war soeben im Alten Hallenbad in Feldkirch, weitere Aufführungen finden im Herbst im Kosmos Theater in Wien statt. Aufführungen an süddeutschen Orten sind im kommenden Jahr vorgesehen.

Drei österreichische Schriftstellerinnen, nämlich Gertraud Klemm, Gabriele Kögl und Grischka Voss, haben die kurzen Szenen verfasst, die einen Theaterabend ergeben, der deutlich erkennen lässt, dass er nicht den Anspruch hat (nicht haben kann und auch nicht haben soll), daraus einen umfassenden Diskurs zur komplexen Thematik abzuleiten. Alle Texte – und seien sie noch so zugespitzt – fokussieren jedoch einen Sachverhalt, das heißt, den nach wie vor steinigen Weg von Frauen zur selbstentfalteten Persönlichkeit. Und zwar ungeachtet des bereits in den 1970er-Jahren (!) geänderten Familienrechts in Österreich oder der Regierungsprogramme aus dieser Zeit. 

Barbara Herold hat das Stück initiiert und inszeniert, verzichtet klug auf Moralpsychologie, hat aber im Auge, dass es bei dieser Thematik bzw. in der Gesetzgebung in verschiedenen Ländern – benennen wir es doch einfach, wie es ist – um die Erhaltung patriarchaler Machtstrukturen geht. Sie mit Humor zu entlarven, ist das Potenzial, das Theater hat. Die Tragik bleibt ohnehin präsent. Sie kommt auch im Bühnenbild von Caro Stark perfekt zum Ausdruck. Auf einem erhöhten, klinisch weißen, unbarmherzig beleuchteten Podium werden die Frauen, die sich gegen die Schwangerschaft entschieden haben, einem Spießrutenlauf gleich, vorgeführt. Ein verschiebbarer Paravent, der die Auftrittsfläche mitunter begrenzt, symbolisiert wohl auch jenes rigide Denken, das es Frauen abspricht, ihre Situation bzw. das, was auf sie zukommt sowie ihre psychische Verfassung selbst einschätzen zu können. Ihr gutes Gespür für den Humor und die Groteske, die die drei Autorinnen berücksichtigen, zeigt Caro Stark in den Kostümen. Da gibt es dann schon einmal Hasenohren für den animalischen Fortpflanzungswillen, den die Frau eben nicht hat oder es trägt ausgerechnet ein dogmatischer Priester jenes Orange, das einmal den Protest gegen die Katholiken symbolisierte.

Wenn der Schwangerschaftsabbruch innerhalb von drei Monaten nach Beginn der Schwangerschaft und nach ärztlicher Beratung erfolgt, ist er in Österreich straffrei. 

Am besten dennoch getarnt und unerkennbar beschreiten die Frauen bei Gabriele Kögl den Weg zur Klinik, wo sie dann auch noch mit der Doppelmoral von Lebensschützern konfrontiert werden. Diesen Umstand in einer Groteske verdeutlichen zu können, die Maria Fliri, Sarah Zaharanski und Peter Bocek zu einem Paradestück an Verlogenheit, Ignoranz, aber auch Selbstbestimmtheit werden lassen, dokumentiert bereits die hohe Qualität der Produktion. In der Folge erleben wir unter anderem eine albtraumhafte Außerkraftsetzung der Menschenrechte durch Grischka Voss und einen von Gertraud Klemm selbstverständlich literarisch überhöhten, aber dennoch aufschlussreichen Einblick in die Geschichte der Medizin, die weiblich quasi mit pathologisch gleichsetzte.

Gut, bei Letzterem hat sich einiges zum Besseren verändert, aber für Verhütungspannen wird immer noch die Frau verantwortlich gemacht und dass die Fortschritte in der Fortpflanzungsmedizin hingegen dem männlichen Ego gut tun, ist sicher nicht falsch beobachtet.

“Das Rote vom Ei” sollte lange auf dem Spielplan bleiben und das seit 15 Jahren tätige Ensemble “dieheroldfliri.at” belebt trotz geplanter personeller Veränderung hoffentlich noch weiterhin die regionale und überregionale Theaterszene.

Kommentare sind geschlossen.