Zeitgemäß, hochkarätig und wertvoll: „Der Freischütz für Kinder“ ist eine echte! Mitmachoper

Zeitgemäß, hochkarätig und wertvoll: „Der Freischütz für Kinder“ ist eine echte! Mitmachoper

Es fügte sich so schön: Am Tag zuvor noch nach Stuttgart gefahren, um dort die Opernproduktion „Dora“ von Bernhard Lang zu sehen. Bringt man den österreichischen Komponisten doch auch mit einer Produktion der Bregenzer Festspiele in Verbindung, nämlich mit seiner Oper „Reigen“ nach dem Drama von Arthur Schnitzler. Den furiosen Klang noch im Ohr und die Geschichte der sich emanzipierenden Frau (Libretto: Frank Witzel) noch vor Augen nun also „Der Freischütz für Kinder“ bei den Bregenzer Festspielen.

Wer die Oper „Der Freischütz“ von Carl Maria von Weber in der Interpretation von Philipp Stölzl im Premierenjahr 2024 auf der Seebühne erlebt hat, erwartet sich auch in der Version für das junge Publikum aufgewertete Frauenrollen. Kai Anne Schuhmacher, verantwortlich für die Fassung bzw. das Libretto nach Friedrich Kind und für die Inszenierung, legt vor, was für eine zeitgemäße Adaptierung wünschenswert ist: Ännchen ist ein selbstbewusstes Mädchen und Agathe entwickelt sich zu einem solchen, wenn sie sich eingesteht, dass sie auf Max ein Auge geworfen hat – ganz egal wie viele Bälle er ins oder eben nicht ins Tor knallt. Im „Freischütz für Kinder“ muss sich somit niemand mit dem Gewehr beweisen, es gibt auch keine ausgeprägt patriarchalischen Strukturen, aber der Leistungsdruck ist da und Fairness muss erst einmal erlernt werden. Die Mädchen kapieren es rascher als die Burschen bzw. als Kaspar und Max, der sich zu einem Trick verführen lässt. Also ab in die Wolfsschlucht …

Eine Geschichte für Kinder und Jugendliche sollte gut ausgehen und das tut sie auch. Eine Oper speziell für das junge Publikum soll aber genauso professionell aufbereitet und interpretiert werden wie jede Produktion im Spielplan eines Opernhauses. Bei der Berliner Staatsoper Unter den Linden und dem Koproduktionspartner, den Bregenzer Festspielen, gibt es diesbezüglich keine Kompromisse. Die Partien sind mit Sonja Herranen, Serafina Starke, Matthias Hoffmann, Andrés Moreno Garcia, Manuel Winckhler, Dionysios Avgerinos (den man in Bregenz noch aus „Gianni Schicchi“ kennt) und Andreas Petzold sehr gut besetzt. In Bregenz spielt das Symphonieorchester Vorarlberg jene Partien aus dem Werk, deren Auswahl dem erzählerischen Bogen entspricht und die auch in dieser gekürzten Version ein Einhören in die Motive ermöglichen. Unter der Leitung von Elias Corrinth gelingt das mit einer Farbigkeit und Klarheit in der Dynamik, die das junge Publikum begeisternd rasch mitreisst. Das Orchester spielt ohne Trennwand zur ersten Reihe und wenn dann einige Musikerinnen und Musiker und der Dirigent Geweihe oder Tiermasken aufsetzen, wird eine Botschaft noch verstärkt: auch klassische Musik macht sehr viel Spaß.

Die meisten der jungen Besucher dürften das bereits Monate und Wochen vor dem Ereignis erkannt haben, zeigte sich doch, dass auch zahlreiche Lehrerinnen und Lehrer in Vorarlberg wichtige bzw. entscheidende Rollen in diesem Musikvermittlungsprojekt der Berliner Staatsoper und der Bregenzer Festspiele übernommen haben. Die komplexen Mitsingpassagen gelingen einwandfrei und zwar nicht nur von dort aus, wo sich die jungen Mitglieder des engagierten Superar-Chores Vorarlberg postiert hatten.

„Der Freischütz für Kinder“ ist eine Mitmachoper höchster Qualität: Die Kinder haben sichtlichen Spaß an der gesanglichen Herausforderung, die sich ihnen stellt und liefern begeisternd ab. 

Wo Fußball gespielt wird, soll natürlich auch mit Pompoms gewedelt werden und bei den romantischen Stellen leuchten bunte Flaschenlaternen im großen Saal des Festspielhauses. Passt doch bestens zu diesem „Freischütz“, in dem Samiel ein Zauberer ist und der Eremit ein unkonventionell lebender Außenseiter mit Witz, Herz und viel Verstand.

Den enormen Beifall am Ende dürfen die Bregenzer Festspiele als Aufforderung werten, immer eine Oper für Kinder im Programm zu haben und sich dabei bewusst zu sein, dass die Latte hoch liegt. 

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