Die Produktion „Hirschfeld go to Izmir“ von Brigitte Walk lässt weitere Aufführungen erwarten
„Die Welt ist allenthalben“ heißt es einmal in der neuen Bühnenproduktion „Hirschfelds go to Izmir“ des Ensembles walktanztheater.com. Überall lebenswert ist sie nicht. Mit diesen Tatsachen und mit Hoffnungen konfrontiert die Produktion, die nicht nur Geschichte und Gegenwart ineinander verzahnt, sondern die auch Kulturvermittlung, interdisziplinäre Arbeit und integrative Prozesse repräsentiert. Gerade die offene Struktur dieses Stücks über migrantisches Leben damals und heute ist es, die die Komplexität der Thematik unterstreicht.
Vor wenigen Wochen hat Brigitte Walk das Ergebnis ihrer im Jüdischen Museum Hohenems begonnenen Recherche bzw. ihre Regiearbeit in der Collini-Garage in Hohenems gezeigt. Ich sah eine intensive Aufführung im vollbesetzten Raum. Nun erfolgte eine Einladung zu einem Theaterfestival in Izmir.
Zu den wesentlichen Aspekten dieser Produktion:
- Dass Hermann und Karoline Hirschfeld im 19. Jahrhundert von Hohenems nach Izmir ausgewandert sind, ist ein Fakt, der im Text des Autors Aksel Bonfil sowie in der Inszenierung von Brigitte Walk mit Sorgfalt behandelt wird. Das nur auf eine bestimmte Anzahl von Personen beschränkte Aufenthaltsrecht in der Jüdischen Gemeinde zwang zum Verlassen des Landes. Bei allen Schwierigkeiten internationale Netzwerke aufzubauen, war unabdingbar.
- Mit einem fiktiven jungen Paar, das sich heute nach Izmir aufmacht, um sich mit den eigenen Wurzeln zu konfrontieren und dabei der Geschichte der Hirschfelds begegnet, wird von gesellschaftspolitischen Verhältnissen, von Geschlechterrollen, aber auch von einer wenig bis nicht beachteten Geschichte erzählt. Historikerinnen und Historiker bemühen sich beispielsweise um den Erhalt von rund einem Dutzend der noch bestehenden historischen Synagogen in Izmir.
- Eingebettete Filmdokumente über den Austausch zwischen jungen Menschen in Izmir und Vorarlberger Jugendlichen mit migrantischem Hintergrund verleihen der Produktion nicht nur einen zusätzlichen dokumentarischen Charakter, es entsteht eine gut konstruierte Collage ohne manipulative Aspekte.
- Die Musik des Vorarlberger Komponisten Marcus Nigsch sowie das distanzierte Spiel von Özge Dayan-Mair und Suat Ünaldi entsprechen der Vielschichtigkeit des Projekts.
- Weitere Aufführungen dieser wichtigen Produktion, die Brigitte Walk somit in Kooperation mit Historikerinnen, Historikern sowie zahlreichen Künstlerinnen und Künstlern (darunter sind auch die Videokünstlerin Sarah Mistura und die Ausstatterin Sandra Münchow) realisiert hat, sind zu erwarten. Sei es in Österreich oder in anderen Ländern.