Rudolf Sagmeister holt nach, was man zum 25-Jahr-Jubiläum des Kunsthaus Bregenz vermisste

Rudolf Sagmeister holt nach, was man zum 25-Jahr-Jubiläum des Kunsthaus Bregenz vermisste

25 Jahre Kunsthaus in Bregenz, 25 Jahre Begegnungen mit zeitgenössischem Kunstschaffen, die gegebenenfalls in Städten möglich sind, die mehr als das Zehn- oder das Hundertfache an Einwohnern aufweisen können. Wobei es für das, was Bregenz seit dem Sommer 1997 mit seinem Kunsthaus hat, kaum Vergleichbares gibt. Vier übereinandergestapelte Räume, in denen nichts stört und ein Konzept, das die eingeladenen Künstlerinnen und Künstler vor die Herausforderung stellt, für diese Werke zu entwickeln oder Werke entsprechend zu positionieren.

Schon im ersten Jahrzehnt des Bestehens präsentierte sich das KUB mit einer Sonderausstellung in New York, zum Jubiläum im Jahr 2007 öffnete man die Türen in ein Gelände am Vorplatz, 2017 leistete man sich besonders üppige Ausstellungsformate und einen Auftritt des Architekten Peter Zumthor als Gastgeber internationaler Experten in einem eigens gestalteten Ambiente. Wer heuer – zum 25-jährigen Bestand der Einrichtung – einiges vermisst, redet die Projekte von Otobong Nkanga und Anna Boghiguian nicht klein. Auch der Auftritt mit Werken beider Künstlerinnen im Rahmen der Biennale von Venedig gibt Sinn. Die Chance, die solche Jubiläen bieten, nämlich den Menschen vor Ort in der Region im Besonderen zu vermitteln, welche Erfahrungen ihnen das KUB ermöglicht, wurde heuer bislang allerdings vertan.

Bislang, denn nun liegt mit „Kunsthaus Bregenz 25 Jahre ,Making Art Happen‘“ ein Buch auf, das eine Sonderstellung im Rahmen der vielen Publikationen des KUB einnimmt. Der Kunsthistoriker Rudolf Sagmeister und somit jener Experte, der von Anfang an, das heißt, auch in der Zeit während der Errichtung des Hauses und der Konzepterstellung, in der die geradezu abenteuerliche Wandlung der Institution von einer Landesgalerie in einen Kunstort internationaler Ausrichtung erfolgte, als Kurator tätig war, öffnet damit sein Archiv. Er bietet Einblick in seine Fotosammlung, die von Jahr zu Jahr wuchs und in der sich Aufnahmen von Künstlerinnen und Künstlern befinden, die von jener menschlichen Nähe zeugen, die berührt und die somit auch das Interesse jener Menschen wecken kann, die noch keinen Zugang zur zeitgenössischen Kunst gefunden haben.

Teilhabe ermöglicht

Rudolf Sagmeister berücksichtigt dabei einen Aspekt, den viele seiner Berufskollegen ausklammern. Er zeigt die Kunstwerke mit den Menschen. Es sind nicht jene, die in Museen und Ausstellungshallen das iPhone zücken, um möglichst viele Werke möglichst rasch zu scannen, es sind Menschen, die sich mit ihnen auseinandersetzen und es sind jene, die sie erst ermöglichen. Wenn Theater hinter die Kulissen, in Bühnenbild- und Kostümwerkstätten blicken lassen, wirkt das oft wie eine Alibi-Übung, Sagmeister hingegen thematisiert Teilhabe. Wenn er die kuratorische Praxis erläutert, ist es ein Informieren über das Zusammenwirken von künstlerischer Idee und Umsetzung, für die es oft gute Handwerker braucht. „Ohne Zögern kann ich sagen, dass ich in all den Jahren niemals wieder jemandem begegnet bin, der so befähig war, Ausstellungen zu realisieren wie du“, schreibt Olafur Eliasson, dessen Arbeiten im KUB -diese Naturlandschaft mit Teich, Lehm und Hängebrücke – in seiner Biografie hervorgehoben bleibt.

Im Rahmen meiner journalistischen Tätigkeit fand die erste Begegnung mit Rudolf Sagmeister statt als er gemeinsam mit seiner Frau Kathleen Sagmeister-Fox Ende der 1980er-Jahre Ausstellungsprojekte mit Arbeiten von Rudolf Wacker und Edmund Kalb umsetzte. Mit der internationalen Einordnung und der Wiederentdeckung der beiden Vertreter der Kunst der Zwischenkriegszeit wurde ein Grundstein für eine Vorarlberger Landesgalerie gelegt. Es war dennoch die richtige Entscheidung, den Bau am Bregenzer Seeufer nicht dem regionalen Kunstschaffen zu widmen, sondern ein KUB in der ersten Reihe internationaler Einrichtungen für zeitgenössische Kunst zu positionieren. 

Seit den 1990er-Jahren hat auch Vorarlberg nun Entwicklungen durchlaufen und Künstlerpersönlichkeiten hervorgebracht, die die Errichtung einer Landesgalerie oder eine Institution mit ähnlichem Namen, aber eben dieser Ausrichtung, rechtfertigt. Es bräuchte weitere Personen wie Rudolf Sagmeister. Sie hätten es nun auch wesentlich einfacher, denn das Potenzial in der Region ist da, das die Direktoren Edelbert Köb, Eckhard Schneider, Yilmaz Dziewior und Thomas D. Trummer nicht aus den Augen verloren, wenn sie mit Künstlerinnen und Künstlern wie Wolfgang Laib, Keith Sonnier, Daniel Buren, Olafur Eliasson,  Anish Kapoor, Gerhard Merz, Franz West, Maria Eichhorn, Gabriel Orozco, Rosemarie Trockel, Wael Shawky, Adrián Villar Rojas, Anri Sala, Raphaela Vogel etc. arbeiteten.

Als „in der Gesellschaft und in der Kunstszene erstklassig vernetzten Einheimischen“ und „als positives Signal für die alemannischen Patrioten“, bezeichnete Gründungsdirektor Edelbert Köb seinen Kurator Rudolf Sagmeister, der „mit kompetenten Lageanalysen die wichtigsten Grundlagen seiner Entscheidungen gebildet hat“

Eine Konstante

Übrigens: Bregenz hat rund 30.000 Einwohner, Sitz der Landesregierung ist selbstverständlich die Landeshauptstadt, wesentliche Bildungseinrichtungen befinden sich allerdings in größeren Vorarlberger Städten, nämlich in Feldkirch und Dornbirn, das Landesgericht hat den Sitz in Feldkirch. Die am Seeufer positionierten und prosperierenden Bregenzer Festspiele sind ein Glücksfall, die nur einen Spaziergang davon entfernten Kulturhäuser (das Vorarlberg Museum, das Landestheater und das Kunsthaus) sind Einrichtungen, deren Wert vielen nicht bewusst ist. Unternehmern jedenfalls eher als Politikern.

Als ich vor mehr als 30 Jahren in Vorarlberg einen Job als Journalistin annehmen sollte, habe ich einen etwa 300-Kilometer-Radius um Bregenz gezogen und erfasst, dass die Region im Vergleich zu Österreichs großen Städten kein so schlechter Platz für Kulturinteressierte ist. Die Kunsteinrichtungen in diesem Radius habe ich mit vielen Auf’s und Ab’s erfahren, das Kunsthaus immer als Konstante.

Das Buch „Making Art Happen“ von Rudolf Sagmeister dokumentiert es so wie Sagmeister selbst. Sein Wirken im KUB, aber auch an mehreren Kunstorten bleibt erfahrbar, auch wenn der Experte dort nun nicht mehr tätig ist.

Christa Dietrich

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