Theater Kosmos bietet einen Schiffsausflug mit Esprit, Erotik und angenehmer Kopfarbeit

Theater Kosmos bietet einen Schiffsausflug mit Esprit, Erotik und angenehmer Kopfarbeit

Das Stück „Das weiße Dorf“ der oberösterreichischen Autorin Teresa Dopler, das das Theater Kosmos für seine neue Produktion wählte, ist eine Herausforderung. In vielerlei Hinsicht. Etwa deshalb, weil es die Leser bzw. Zuseher unweigerlich mit der Frage konfrontiert, inwieweit es möglich ist, Sympathien für die beiden Figuren zu entwickeln. Das Gelingen oder Nichtgelingen kann rasch zu einem Kriterium der Bewertung des Textes werden. Ein nüchterner Pragmatismus steht nicht so hoch in der Gunst wie emotionsbasierte Reaktionen und Entscheidungen. 

Sprachlich minutiös aufbereitet

Mit beiden Aspekten sowie mit dem Angebot zur Reflexion über mögliche Klischeefallen treibt Teresa Dopler ein sprachlich minutiös aufbereitetes Spiel, das auch ohne deutliche dramaturgische Gestaltungsmittel faszinierend ist. Im Grunde erfahren wir nämlich fast nichts von den Figuren.

Jan und Ruth bieten sich geradezu als Projektionsfläche an. Als beruflich sehr erfolgreich, treffen sie einander auf einer Amazonas-Kreuzfahrt. Aufgrund nicht kompatibler Karriereverläufe wurde die Liebespaar-Phase – oder was man gemeinhin dafür hält – schon vor einiger Zeit als beendet erachtet. Der Smalltalk bei mehreren Treffen an Deck sowie das Erkunden, ob man noch etwas füreinander empfindet bzw., ob sich die erotische Anziehung noch zeigt, obwohl man jeweils neu liiert ist, gleicht einem geschickten Managermanöver. Wie denkt der andere, welche Strategie verfolgt er, wie weit kann ich gehen? Jene Kompetenz, die im Beruf wichtig ist, die gilt auch für das Private. Jan und Ruth haben das verinnerlicht. 

Das titelgebende weiße Dorf, eine real existierende Gemeinde sowie ein Sehnsuchtsort von Ruth, sentimental zu verbrämen, wäre ein Regiefehler. Augustin Jagg passiert er nicht. Man weiß, dass er Hörspielerfahrungen hat. „Das weiße Dorf“ könnte auch als solches funktionieren.

Derlei inszenatorische Zurückhaltung hat etwas

Vor einigen Jahren hat Dopler damit den Autorinnenpreis des Heidelberger Stückemarktes gewonnen.  Das Werk wurde unter anderem bereits an einem kleinen Wiener Theater inszeniert. Auch in Heidelberg wählte man eine instabile Bühne, allerdings eine, die alles viel mehr ins Wanken brachte. 

Für Bregenz hat Stefan Pfeistlinger ein an Seilen hängendes Podium mit Schiffsdielen gestaltet. Realität und eine nicht überbetonte Symbolik vermischen sich. Das Beige der von Nicole Wehinger entworfenen Kleidung ist jenes der Liegestuhlbezüge. Projektionsfläche eben wie die fein folkloristisch angehauchte Musik von Herwig Hammerl. 

Das leicht Gekünstelte im Spiel von Kaija Ledergerber und Simon Alois Huber korrespondiert mit dem zarten Humor und dem Esprit im Text.

Schön, dass dem Publikum die Kopfarbeit überlassen bleibt, das kopfgesteuerte Verhalten sowie den Grad des Egoismus von Jan und Ruth selbst zu werten. Derlei inszenatorische Zurückhaltung hat etwas. Die Kompaktheit dieser Produktion sowieso.

Christa Dietrich

„Das weiße Dorf“ steht im Theater Kosmos in Bregenz bis 27. Mai auf dem Spielplan. Bilder: Kosmos/Paulitsch und Kosmos/Pfeistlinger

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